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Sozio-kulinarische Beratung mit Annelie Schmidtchen: Sicherheit, Gerechtigkeit und Solidarität

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Bei der letzten Sitzung des Kantinen-Konzeptbildungsausschusses der Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB), die wegen des Brexit in Frankfurt am Main eine Filiale mit nachhaltig-ökologischer Betrieblicher Verpflegung eröffnen will, stellte Annelie Schmidtchen, die zuständige Koordinatorin, die Verwendung von Zucker zur Disposition:

“… und das nicht, weil “no sugar” jetzt eine Mode ist, nicht, weil “clean eating” der neueste Trend wäre, sondern prinzipiell, weil wir über solche Sachen nachdenken müssen, Bewusstsein schaffen, das aber, wie frau hört, bei den für Frankfurt am Main vorgesehenen Spitzenbankern vorausgesetzt werden kann.

Wir haben für Ende August die Kongresshalle angemietet und führen ein Showkochen mit internationalen Spitzenköchen durch (verschiedene Kirchengemeinden haben sich bereiterklärt, die dabei anfallenden Essensreste vor der Tonne zu bewahren und sie in ihren heiligen Hallen an Bedürftige zu verfüttern).

Es gibt eine vorläufige Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank wegen dem Betriebssport, Tennis in Eschborn, und Leistungsschwimmen in deren hausinternem Schwimmbad, das wir mitbenutzen dürfen.

Eventuell liefert unsere In-door-farming-Abteilung im Gegenzug absolut lokalen Hochhaus-Salat aus eigener Ernte.”

 

Annelie musste schlucken, als die Projetion des Fotos über dem Tisch schwebte – ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Ich kommentierte den Vorgang so:

“Das Problem ist doch nicht der Zucker – ich nehme an, die englischen Banker sind rank und schlank, gesundheitsbewusst, allenfalls mit einem Zahlenfetisch, einer kleinen Spielsucht oder der Börsenzocker-Krankheit behaftet, aber ansonsten ganz normale Leute.

Problematisch wird der Zucker ja nur, wenn über Werbung und Verhaltensschulung eine Konditionierung erfolgt ist, eine Auge-Hand-Mund Verknüpfung, die diesen automatisierten Prozess des “Ich sehe hier etwas Süßes, das mich anlacht, und das muss ich mir in den Mund schieben”, der sogar ohne Worte, unbewusst-automatisiert eben, abläuft.”

Von Ute kam nun das Statement, sie könne gar nicht verstehen, warum Manche eine ganze Packung Süßigkeiten auf einmal aufessen – mit genießen habe das wohl wenig zu tun – “Und dann wundern sie sich, warum sie zunehmen, obwohl sie doch den ganzen Tag über nur so wenig gegessen haben”.

Annelie bekam einen roten Kopf und gestand ein, zu denen zu gehören – “… nicht aber zu denen, die sich anschließend wundern.”

Also versuchte ich zu vermitteln:

“Ehrlich gesagt, habe ich auch schon zu diesen und jenen gehört – nur bei diesen Schokostäbchen, die ich geschenkt bekommen hatte und nicht wegwerfen konnte, habe ich das Auffuttern in die Länge gezogen, über eine Woche, macht im Schnitt etwa 20 Gramm hochkonzentrierte Energie am Tag. Es ist auch Blödsinn, zu sagen, wenn man einmal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören, das ist ein Vorurteil und eine beliebte Selbstlüge und Rechtfertigung.”

Annelie gab mir “zum Teil” recht und erzählte, dass sie von einer neuen Theorie gelesen hätte, derzufolge es funktioniert, sich seine Gelüste genau anzuschauen, “diese Begierden” bewusst wahrzunehmen, statt zu versuchen, sie zu verdrängen -

“… wenn ich auch von dem Larifari nichts halte, sich die gewünschte “Sünde” vor dem geistigen Auge plastisch vorzustellen, um dieses Bild dann verblassen zu lassen, es sich zunächst in Schwarz-Weiß vorzustelen, um dann das Interesse zu verlieren, gewissermaßen dem Bild auch noch die Helligkeit herunterzuregeln”.

Ute versuchte dem Gespräch zu folgen, verriet aber mit ihrem Einwand

“Ich verstehe auch überhauptgarnicht, was an diesen Zitronenstäbchen so lecker sein soll – das ist doch nichts außer einer brüchigen Zuckerschicht mit pappiger Zitrone, von einem Hauch Schoko umhüllt, was doch geschmacklich völlig irrelevant ist”,

dass sie eben nicht so ganz mitkam. Annelie erklärte:

“Das hängt mit dem Genuss zusammen. Versuche mal, so ein Ding zu lutschen, und nicht darauf zu beißen. Da kommen schon ein paar Geschmackssensationen zusammen, gepaart mit einem Überraschungseffekt und dem Moment der fehlenden Planbarkeit:

Du willst genießen, Du wartest auf das Saure, dann kommt der Zucker, und plötzlich…
Dann aber nicht beißen und schlucken, sondern genießen – das ist die Kunst. Du willst genießen, lange genießen – und dann ist es vorbei, und Du hast genossen. Womit es eigentlich auch gut ist, wenn Du nicht den Effekt wiederholen, wiederholen, wiederholen willst, bis zu einer “Übersättigung.”

Ute fand diese Gedanken reichlich “überdreht”, fand aber auch viel Wahrheit darin:

“Du hast das schön ausgedrückt, Annelie: “Du willst genießen, dann hast Du genossen, und dann ist es vorbei. Wie in Nordrhein-Westfalen: Da war es nach der Wahl vorbei:

Erst Genuss, dann Genossen. Der Schulz-Effekt hat die Genossen nur kurz aus der Depression geholt, die Manie ist vorbei, es bleibt die Krise, das Flimmern der roten Herzkammer.”

Bevor ich sagen konnte, dass mir da nur “Bullshit” einfällt, hatte Annelie eine Antwort gefunden, das Wort ergriffen:

“Diesse Idee von NRW als “rote Herzkammer” war wahrscheinlich ein unglücklicher Kraft-Ausdruck, und wie das so ist, greift die Journaille so etwas begierig auf. Insofern hätte Schulz auch nicht von einem Schlag in die Leber reden sollen, denn den  “Box-Champion” traut ihm niemand zu – und die Sache mit dem Erlöser oder Messias hat sich auch erledigt.

Ob er auch kleine Brötchen backen kann – darauf kommt es an. Und auf den großen Plan: Wenn schon “Gerechtigkeit“, dann auch richtig. Nicht nur für Unternehmer, Juristen, Abgeordnete und Staatsbedienstete. Nicht nur für qualifizierte Arbeiter und Angestellte unter den Fittichen einer schützenden Gewerkschaft, sondern auch für Teilzeitler, Leiharbeiter, Kranke, Arbeitslose, Abgehängte, Künstler, “Schwache”, Kranke, Ältere und Alte, Gefangene, Befangene, von der Arbeit Gelangweilte und Überforderte,  sowie Sozialdienstler, die an der eigenen Routine ersticken.

Und bitte auch etwas mehr Gerechtigkeit für alleinerzieihende Mütter und für Frauen, die keine Kinder bekommen (haben), für gemeinsam erziehende Paare, Trios und Quartette, gebärwillige Männer, für Rentner, die sich den scheinbar obligatorischen Dreiwochenurlaub an der Sonne nicht leisten können, sich aber dringend mal erholen müssen,  für Witwer und Witwen, Geschiedene, getrennt Lebende, Frisösen mit Haarsprayunverträglichkeit und, und, und… ”

“Rein sprachlich, also nur mal begrenzt semantisch betrachtet, war die Herzkammer-Phrase doch der pure Quatsch, und wenn Schulz sich aufs Podium stellt und meint, es tut ja gar nicht weh, drei Faustschläge in die Leber einzustecken, und in der nächsten Runde würde  er die Punkte machen,  fragt frau sich doch, ob er was an der Leber hat, oder an der Erbse, und ob er überhaupt kanzlern will oder insgeheim mit dieser “Mutti” zufrieden ist, der seine zärtlichen Kinnhaken doch erst den nötigen Auftrieb verleihen – der Mann hat doch eine Beißhemmung, der sollte mal zu mir in die Sprachschulung kommen, dem würde ich aber Nachhilfe geben…,”

war nun Utes unbeabsichtigte Überleitung zu einer allgemein anerkannten Tatsache:

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Bei “Nachhilfe” nämlich war Annelie Utes Hausaufgabe, das abnehmpädogoische Konzept, das Ute als Adaption der Sprach- auf die Diätschulung entwickelt hatte, eingefallen – und, unser Einverständnis vorausgesetzt, “… sollten wir dieses Papier noch einmal vertagen, und uns heute der Parteienlandschaft widmen?”
Weil ich  das Bonmot mit den “blühenden Parteienlandschaften”, das sich nun bewahrheitet, vermeiden wollte, meinte ich nur:

“Ich weiß ja nicht, wie die Parteienlandschaft sich ernährt – aber Baked Beans gibt es bei den Genossen und Kollegen wohl nur, wenn Weihnachten und Ostern zusammenfallen – man kann damit aber prima Obdachlose und Asylanten satt bekommen, es ist halal, hat einen schlanken ökologischen Fußabdruck und ist schon, während die Bohnen wachsen, eine Wohltat für die Humusschicht der Erde – wobei, was mir missfällt, die Grünen bei diesen Themen keinerlei Kompetenzvorsprung (mehr) haben, aber Geld für Tiefbahnhöfe ausgeben, das noch gar nicht vorhanden ist und der Autoindustrie zugute kommt, weil somit ein wirtschaftlicher ÖPNV überhaupt unmöglich wird!”

 

 

Ute stimmte mir zu:

“Klar, nur schlanke Füße hinterlassen einen schlanken Fußabdruck, wenn frau barfuß läuft, was auch eine wirksame Vorbeugung bei Fußerkrankungen ist.
Womit ich sagen wollte: Einen gesunden Plan zur gesundheitlichen Vorsorge scheint es bei der Politik ja nicht zu geben. Weil die Politiker ihre Leibärzte haben und keine Mängel bei der medizinischen Versorgung erkennen können?

Jedenfalls kann ich keinen Leitantrag zur Förderung des Barfußlaufens finden, nirgends, seit die Grünen vom Turnschuh auf maßgeschustertes umgestiegen sind und in den Plenarsitzungen die Stricknadeln gegen das Laptop eingetauscht haben.

Und was, bitte, soll ich unter “ÖhPeeEnVau” verstehen? Ist das ein Fußballverein, bei dem Du zuschaust?”

 

Annelie ergriff mein Wort und erklärte:

“Da hat er wohl aus Gewohnheit, weil er mehr auf der Kurzstrecke zu Hause ist, ein “N” für “Nah-” eingefügt bei “ÖPV”, also “Öffentlicher Personen-Verkehr”; unter ÖPNV versteht man ja Straßenbahn, Bus, Fahrrad und so.”

“Ei gut, das hast Du schön erklärt. Öffentlichen Verkehr muss es halt auch geben, es können ja nicht alle Auto fahren – mein Golf ist eh mehr ein Stau- als ein Fahrzeug”,

erklärte Ute, die mit der Zeit ihre Rolle als Praktikantin immer besser ausfüllt. “Lieber im Stau stehen als Strassenbahn fahren”, dachte ich und sagte:

“Genau,  das Verkehrsproblem und “die Sicherheit” sind in NRW ja wohl auch durchaus wichtiger Stoff im Wahlkampf gewesen und werden es bleiben – wenn auch solche Sylvesterexzesse leicht vermeidbar sind, sind doch viele Straßen maroder, als sich in einer Legislaturperiode reparieren lässt, allenfalls kann man mit Mautsystemen Wegzoll verlangen, noch ein paar Radarfallen aufstellen, um die Schlaglöcher zu schützen und so viele Polizisten einstellen, dass die Bestandspolizisten mal ihre Überstunden abfeiern können, oder so lange, bis die Kasse leer ist…”

 

Ute wandte sich mir zu, um mein Statement zu ergänzen:

“Du tust hier gerade so, als wäre “Sicherheit” ein lokales Thema! Ist es nicht. Denk’ doch nur mal an diese Computerviren – die Sicherheitslücken bei Windows XP sind von den “Sicherheitsdiensten” entdeckt worden, diese Infos sind in die falschen Hände gelangt, und weil bei der Bahn die Zugabfahrtsinformationstafeln die Lösegeldforderung öffentlich gemacht haben, kam die Sache in die Medien.

Die gleiche Politik, die versäumt hat, diese Computerkriminalität zu unterbinden, macht den physischen Einbruch zum schwer kriminellen Delikt, aber keiner dieser Computer-Hacker ist in Haft; obwohl Datenklau – schon immer – total ins Mark treffen kann! Da kannst Du so viele Streifenpolizisten einstellen, wie Du willst, gegen diese Viren nützt auch kein Spürhund, aber es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hier vorbeugend tätig zu werden; es gibt den TÜV, es gibt eine Lebensmittelüberwachung, aber keine Sicherheit im Internet.”

Annelie schien der gleichen Auffassung, indem sie sagte, dass wir da den Salat hätten -

“… die Zeiten, die Verhältnisse ändern sich, die Politik steht neuen Herausforderungen gegenüber und merkt es nicht, Sicherheit und Gerechtigkeit mit Krediten zu finanzieren wäre fatal, Sicherheit und Gerechtigkeit mögen zwei Seiten einer Medaille sein, aber zu diesem Zweigestirn der Leit-Werte fehlt noch ein Drittes, die Solidarität namentlich – die müssen wir heute aktiv entwickeln und nicht erwarten, dass einer, der mal besonders viele Stimmen bekommen hat, dieses kostbare Gut verteilen könnte, als wäre es Rheinwasser und er hätte den Fluss gepachtet.”

Die Vorstellung, wie Schulz Rheinwasser verteilt und die Genießer auf dem Weg zum Spender ihre Ellenbogen einsetzen – “das muss man sich mal vorstellen!” erschien  nur kurz als plausibel – denn der künftige Führer der Entrechteten, Arbeiter, Kleinbürger und Ex-proletarischen Aufsteiger kann ja unmöglich gleichzeitig ein Wasserhäuschen betreiben und Speerspitze des Wandels sein. Hierin stimmte Annelie mir zu:

“Rheinwasser ist keine Weinschorle – das ist zweifellos richtig, aber im Moment nicht so wichtig wie eine gepflegte Tasse Tee, nach der mir viel eher der Sinn steht – und zwar ohne Zucker und Milch”,

meinte sie “abschließend”, kurz, bevor ich die Küche zur Teeküche umgestaltete.

 

Kitchen-Fiction mit A. Schmidtchen

Das Essen ist die Religion des kleinen Mannes, der Kitt der Gesellschaft, es hält Leib und Seele zusammen.

Die Kantine, als Schmelztiegel der Arbeitswelt, spart nicht beim Salz an der Suppe, soll künftig auch  Super-Rezepte zum Abnehmen anbieten – deshalb gibt es hier garnierte Geschichten, die sich um Lebensmittelklarheit und -Aufklärung ranken, unter dem Banner des Selbstbestimmungsrechts auf dem eigenen Teller.
Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge  stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, wobei das Beste ist, dass die Artikelserie fortgesetzt wird !

 

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