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Annelie Schmidtchen: Nachhaltig Liberal oder gar nicht

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Annelie fand es “angebracht”, noch einmal auf meinen Vorwurf, wir – das Kleinteam “Kantinen-Konzeptentwicklung der Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB)” betrieben scheinpolitische Gespräche (“… warum sagst Du nicht gleich “pseudopolitsches Geschwätz?”),  ohne an den Rahmenbedingungen der Wandlungen in Gesellschaft und Umwelt (“… Duhast doch selbst exemplarisch den auftauenden Permafrostboden genannt!”) wirksam etwas ändern zu können:

“Wer etwas ändern, einen Beitrag bei den kommenden Herausforderungen leisten will, also einen Standpunkt vertritt und eine Richtung einschlägt, muss doch, um gescheit navigieren zu können, erst mal seinen Standpunkt bestimmen – beim Smartphone oder beim “Navi” geht das automatisch per GPS, im Bereich Ökonomie und Gesellschaft muss schon jede(r) ihren/seinen Standpunkt selbst bestimmen, es sei denn, sie/er lässt sich führen, anführen, verführen, ist ein(e) Mitläufer(in). “Standortbestimmung im Dialog” – das hört sich zunächst mal nach “Stammtischrhetorik” oder, in noch besserem Hessisch gesagt, nach Gedummbabbel an. Das wollen wir natürlich nicht, deshalb suchen wir Rat bei der Wissenschaft, der Philosophie, bei den Weisheiten und  Überlieferungen der Geschichte, Beispiele in der Mythologie und lernen, hohle Phrasen – eben Dummgebabbel beziehungsweise ideologisch bedingte Lügen und Slogans der Meinungsmacher, zu hinterfragen und unschädlich zu machen.”

Ute hatte etwas dazu passendes:

“So etwas bekomme ich neuerdings von der Friedrich-Ebert-Stiftung zugeschickt; die haben mich wahrscheinlich in den falschen Postverteiler genommen. Meine bisherigen Erfahrungen mit der Hartz-Q Simulation sind jedenfalls katastrophal: Fünfzig Bewerbungen und kein oder nur negatives Feedback. Nächste Woche habe ich ein Vorstellungsgespräch in der Naumann-Stiftung – ich hatte mich als Lindner-Fan geoutet – die haben mich gebeten, in einem dunkelblauen Kostüm mit gelber Bluse zu kommen. Es geht um Mitgliederbetreuung in besseren Seniorenheimen. Was solls – Potsdam ist auch eine Reise wert, und unterwegs kann ich ja das PDF “Altersvorsorge und Generationenvertrag: leistungsfähig und enkelfit” durchlesen. Oder wollen wir hier, mal nur so, als kleine Übung, die Frage “Wie solide sind eigentlich die Investments, die Privatvorsorger eingegangen sind und was bedeutet dies für die Rolle des Sozialstaats?” besprechen?”

Annelie befand, dass so ein alter Hut in neuem Vokabular – “Privatvorsorger” – doch im Klartext nichts als die raffgierige Frage: “Wie kann ich mein Geld oder Vermögen sicher durch diese und jene Krise retten, also solide und nachhaltig anlegen?” repräsentiert;

“… gerne dürfen die Naumänner mit ihrer nützlichen Stiftung und steuerbefreiten Indoktrinations- und Spendensammelanstalt  sich im Internet über die Anlagepolitik und -Ethik der GCEB, die seit eh und je auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit angelegt ist, informieren.
Ich würde es natürlich begrüßen, wenn Du, Ute, quasi undercover nach Potsdam fährst und den Job annimmst! Dass es sich in diesem Zusammenhang verbietet, nach den “Privatvorsorgern” zu fragen, die eben keine Reserven oder “Überschüsse” erwirtschaften, um sich ein (kleines) privates Vermögen zu schaffen, ist ja klar…”

Ute stellte daraufhin heraus, dass sie ihrer Pflicht zur freiwilligen staatsbürgerlichen Fortbildung nachkommt, indem sie eine Graphik präsentierte:

Was Anne Will von Lindner will

“Anne Will – immer diese Anne Will und diese Thesendrescherei, diese Halbheiten. Wir haben allemal kein Volk von Eigentümern – so bürgerlich war die Gesellschaft nie, außer zu urgermanischen Zeiten, als es wahrscheinlich generelles Allgemeineigentum gab, am Weideland, an Fischgründen, Ackerland, Wäldern, Wild, Feuerholz. Für Volkseigentum brauchst Du logisch ein Volk – und die DDR war ja nur  abgetrennter Teil eines Volkes – und ob bei deren Führung ein Volks- oder ein Staatseigentum als unerreichtes Ideal geleuchtet hat? Ob Lindners Diät als gewählter Volksvertreter aus der Staats- oder aus der Volkskasse kommt? Bei dieser Überweisung der Diäten ist für ihn das Volkseigentum jedenfalls ideal. Es graust mich!”

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Die private Vorsorge beginnt bei der Hautpflege eines möglichst jungen Models, das sich mit sündhaft teuren Cremes eincremt. Das ist so effektiv, wie wenn ein Skispringer für Anti-Adipositas-Medikamente wirbt, die auch im Nanobereich Wirkungen hervorrufen.

Ich trank ein halbes Glas Wasser, nahm eine Tablette gegen die Übelkeit, trank das Glas aus und äußerte mich zum “Lindner-Schema der Alterssicherung”:

“Das ist allerdings nichts für Jeden: Es beginnt mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst – zum Beispiel Zivildienst. Dann befragt man sein Gewissen, geht zum Bund, as Zeitsoldat, macht das eine Weile, geht weiter, gründet ein Unternehmen mit KFW-Mitteln (wieder: Nichts ausschlagen, was die öffentliche Hand anbietet), steigt aus und geht, mit militärisch geschulter, markanter Stimme, als Reserveoffizier  in die Politik. Mit der wundersamen ultraschnellen Erhebung in den Rang eines Hauptmanns ist die Alters-Grundsicherung ungefähr gewährleistet.”

Annelie hob diesemal die linke Augenbraue, als sie mich tadelnd anschaute und darauf hinwies, dass ich mich über mangelnde Wirksamkeit eines Polit-Geschwafels wirklich und überhauptgarnicht wundern müsse; woraufhin Ute sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Meinetwegen sollte sie grinsen. Ich stellte mir vor, wie sie im blauen Kostüm die reichen Rentner in der Uckermark  in Sachen liberaler Spendenbereitschaft beackern wird, um nach Erreichen eines siebenstelligen Betrags von Christian zum Tee auf einem sächsischen Jagdschlösschen eingeladen zu werden: Liberaler Lebensstil auch in hohem Alter…

Eigentlich hatte ich die beiden Mit-Teammitglieder noch darauf hinweisen wollen, dass wir es mit einer Partei zu tun haben, die den Wackelpudding als Strukturelement perfektioniert hat und mit chamäleonhafter Momentpolitik nie weiß, was sie morgen wollen wird (außer dem Vorteil der weggebröckelten “Mittelschicht”) – aber das konnte ja ein ehemaliger Vorstand selbst sagen:

„Die FDP hat sich nie davon erholt, dass 1969 der nationalliberale Teil wegen der sozialliberalen Koalition wegbrach und 1982 der linksliberale Teil wegen der CDU/FDP-Koalition.“ ―Erich Mende
Eigentlich, hatte ich gedacht, würde Ute bei diesem Zitat irgendwie reagieren – aber sie schien auf mehr zu warten.
Auch die unerträglichen Wahlplakate änderten nichts an ihem gesprächsfeindlichen Abwarten – also erzählte ich noch etwas von “unscharfen Profil dieser “Freidemokraten”", dem “Ausdruck der permanente Krise der Partei, die in den späten 60ern alte Zöpfe abschneiden und die außerparlamentarische Bewegung aufsaugen wollte”, von einer Partei, der nur ein schmales Terrain für eine Schmalspurpolitik geblieben war:

Die FDP konnte national sein, sie konnte sozial sein, … .Sie konnte alles sein. Und davon immer auch das Gegenteil. … Bedenklich ist, dass die Liberalen ihre Rolle [als Mehrheitsbeschaffer]  fast 65 Jahre spielen konnten.

Endlich hatte Ute ihr Stichwort gehört, und, plötzlich wieder munter, meinte sie:

Moment – “liberal” ist ja überhaupt kein geschützter Begriff! Und Liberalität und Liberalismus sind zwei Paar Schuhe: “Liberté” funktioniert nicht ohne “Egalité” und “Fraternité” – aber da hat diese Partei ohne Volkseigentümer bestimmt nicht ihre Wurzel!

  • Freiheit ist für die die Freiheit, Studiengebühren zu erheben und die Freiheit der Ärzte, Privatpatienten abzurechnen, die Freiheit der Steuerbeamten, keine Steuern von Google und Amazon zu erheben, die Freiheit der Steuerberater, uns für teures Geld im unendlich komplizierten Steuer-”Recht” durch den Dschungel zu lotsen.
  • “Egalité” übersetzen sie mit “ist mir doch egal, wenn es Dir dreckig geht”, und für
  • Brüderlichkeit haben sie sich bei Kain und Abel ihre Vorbilder gesucht.”

Hier meinte Annelie, dass Ute mal wieder nur die halbe Wahrheit darstelle, denn

“… was hast Du von Wurzeln im Volkseigentum, wenn der dazugehörige Baum abgesägt ist? Ich sage nur “Neue Heimat”, “Konsum” und “BfG”. Das waren mal “Betriebe in Arbeiterhand”, die von fehlgeleiteten Funktionären heruntergewirtschaftet worden waren. Die “Liberalen” haben sich dabei die Hände gerieben.

“Nur mal zwischendurch” wollte ich auf den Umstand hinweisen, dass wir doch eigentlich die Kantine weiterentwickeln sollten, mit regionalen Produkten und viel nachhaltiger Selbstbestimmung auf dem Teller und im Glas:

“Das ist beim genossenschaftlichen Eigentum das Gleiche wie bei einem Staatsbetrieb – Jacke wie Hose:
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.

Rückstandskontrollen bei Lebensmitteln, Ruß- und Stickoxydkontrollen beim Auto. Vielleicht auch ein bisschen Investuitionslenkung, wenn die Industrie Innovationen und gute Ideen verhindert, weil die alten Produktionsstraßen noch nicht abgeschrieben sind, die innotvative Idee die bequemen Porfite schmälern würde – ich sage nur: Messerschmitt…”

Annelie und Ute lehnten es unisono ab,  sich mit Mobilitätskonzepten und Ressourcen-Schonung, mit Luftwiderstand und genialem Ingenieursgeist (“Wie schnell gleitet das ab und wird als Waffe verwendet!”) zu befassen. Ob es Neues aus der Versuchsküche gäbe, fand Annelie interessanter…

 

“Das heißt wohl, dass wir mit dem Thema “Liberale” durch sind?”

war meine nur rhetorische Frage, zu der ich doch noch eine Ergänzung hatte;

“… nämlich, dass unter lokalen Patrioten und lokalen Liberalen die Figur “Lindner” “mit messianischen Erwartungen verbunden” sein soll.

Wir sollten deshalb auch weniger mit den Renten- und Zukunftsängsten, die diese Politik schürt, während sie systematisch verleugnet, dass der eigentliche Schmierstoff der Gesellschaft das Speise-Öl ist, beschäftigen.

So, wie die politische Diskussion frei von kulinarischer Kompetenz abläuft und Rentenfragen priorisiert, wird die “Egalitè” als Gleichgültigkeit gegenüber Zusatz- und Farbstoffen, zum Beispiel im überzuckerten Yoghurt, schmeck- und spürbar.
Wenn es gesünder ist, rohes, nicht hitzebehandeltes Obst zu essen, ist Erdbeeryoghurt ein saisonales Produkt – aber welcher der von morgens bis abends schwer arbeitenden Berufspolitiker, welcher Gesundheits- oder Landwirtschaftsminister tritt für solche Produkte, die keine Lobby haben, ein?

Inswofern schlage ich vor, dass die GCEB beispielgebend und saisonal einen Erdbeer-Trinkyoghut ins Programm der betrieblichen Mitarbeiterverpflegung aufnimmt, anders gesagt: anbietet, so zum Beispiel:

Als Ute meinte, das Foto komme ihr “Schräg, aber trotzdem irgendwie ein bisschen ansprechend” vor, “…wenn auch die matschigen Erdbeeren im Vordergrund unnötig sind”, stimmte ich ihr vollumfänglich zu und bedauerte zutiefst, nicht so schön wie sie und die anderen Food-Blogger das photographische Handwerk zu beherrschen.

Annelie wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass die Sozialisation manchmal geradezu in einem Zwang, sich und andere permanent vergleichen und bewerten zu müssen, “kristallisiert”, während doch gleichzeitig ein erkennbar passabler Erdbeeryoghurt, beziehungsweise dessen Produktuion,  doch recht eigentlich als Erfolgserlebnis empfunden werden sollte, könnte, müsste – sie selbst sei in diesen Fragen durchaus “anspruchsvoll ohne Anspruchshaltung”, könne sich auch ein “… Zweirad als Gefährt – wenn es denn kompromisslos, dem üblichen Auto ebenbürtig, entwickelt ist”, vorstellen,

“…und mit dieser Einstelung gewappnet, freue ich mich jetzt ganz besonders auf unsere obligate  Tee-Runde, heute mit Darjeeling, wenn Ihr einverstanden seid?”

 

 

Kitchen-Fiction mit A. Schmidtchen

Erklärtermaßen und ausdrücklich unter dem Label Fiktion: Erfundenes. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Institutionen sind ausschließlich zufallsbedingt:

Das Essen wird mehr und mehr zur neuen Religion; Wir befolgen bis zu 999 Ess-Gebote, ohne mit der Wimper zu zucken. Essen ist der Kitt der Gesellschaft, es hält Leib und Seele zusammen.

Die Kantine, als Schmelztiegel der Arbeitswelt, spart nicht beim Salz an der Suppe, soll künftig auch  Super-Rezepte zum Abnehmen anbieten – deshalb gibt es hier garnierte Geschichten, die sich um Lebensmittelklarheit und -Aufklärung ranken, unter dem Banner des Selbstbestimmungsrechts auf dem eigenen Teller.
Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge  stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, wobei das Beste ist, dass die Artikelserie fortgesetzt wird !

 

 

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