“Wir werden uns von dem alten Schlitzohr, Junkers, der Miss May(-be) schlechte Zeiten prophezeien will, nicht ins Bockshorn jagen lassen”,
meinte Annelie und eröffnete damit die neue Zusammenkunft des konzeptionellen Kantinen-Entwicklungsgremiums, und
“auf jeden Fall sind wir, ist die Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB) beim Brexit auf der Siegerseite, mit oder ohne britische Milliardenzahlungen an die EU – die EU braucht England, nicht umgekehrt!”
Mit einem “Inwiefern???” widersprach hier Ute, ganz im Geiste des Friedrich Ebert,
“… denn der hätte sicherlich auch genügend Souveränität besessen, das einzig Relevante, das in den letzten Jahrzehnten aus England herübergeschwappt ist, die Beatles, als “kulturell entbehrlich” zu beurteilen, und noch Theodor W. Adorno hat diesen Pilzköpfen bescheinigt, letztlich nur auf dem Niveau von Kinderliedern gepoprockt zu haben.Es gibt ja keinen Winkel der Welt mehr, an dem man nicht medial berieselt würde; dank der technischen Möglichkeiten…
… hat sich auch die Kulturindustrie entwickelt, Deutschland sucht permanent den Superstar, das Top-Model, den Küchensieger, Rätselkönig und Abnehm-Queen.”
Annelie fand es auch erschreckend, dass sie sich eine Welt ohne Radio- und Fernsehübertragungen gar nicht mehr vorstellen kann – “Frau hat ja so ihre Lieblingsprogramme.”
“Gleich gehts weiter, bleiben Sie dran – nur ein Spot”
Annelie und Ute waren “ziemlich irritiert, vom Foto als Solchem und von der Art, wie Du es eingebracht hast”, wozu ich aber wenig gekonnt hatte; was mich interessierte, war doch nur, was die Beiden zu diesen Pilzköpfen sagen. Ute äußerte ganz spontan:
“Ich finde das ziemlich – na ja – “fotorealistisch”. Zweierlei Chamipnons; die linken sehen ziemlich labberig aus, die kleinen Pilzköpfe sind etwas weniger unappetitlich.”
Annelie stimmte dem im Wesentlichen zu und schlug vor, es (bezüglich der Be-deutung des Fotos – wenn es überhaupt eine Botschaft enthält) hier mal mit der philosophischen Hermeneutik nach Gadamer zu versuchen, denn:
Die Philosophie hat ein sehr langes Gedächtnis und dadurch viel Kritikvermögen. Philosophie erlaubt, aus dem Reichtum vieler Epochen zu schöpfen und dadurch Denkmuster zu spiegeln, um zu fragen: was will ich – was flüstert mir der Zeitgeist ein?
Anderenfalls gäbe es ja immer noch die Option der philosophischen Beratung, natürlich nicht bei einem, der auf jede Frage eine Antwort hat und “hyper-inflationär” überall seine Meinung, als wäre dies die heilbringende Wahrheit und Wirklichkeit, verbreitet.
Gemeint war der aus Radio und Fernsehen bekannte Prechtel, der auch mal eine Fernsehserie bespielte, in der er Anderen Löcher in den Bauch gefragt hat – hier mit Sascha Lobo, der dem schier allwissenden Philosophen verklärte, was eine Waschmaschine mit dem Internet zu tun hat oder haben kann und wird. Hätten die Beiden Gadamers
“… Kritik am Selbstverständnis der Geisteswissenschaften … , dass aller Methodik immer schon unüberholbar Verstehen vorausgeht [ordentlich verinnerlicht und berücksichtigt, wäre das Interview anders verlaufen].
Das Vertrauen auf die Methode überspielt lediglich die unüberholbare Vorurteilsstruktur, an die der Mensch in seiner Geschichtlichkeit gebunden bleibt.”
Ute hatte hier den Einwand, dass die Methodologie in der Sprachpädagogik nicht vom Voruteil/Verstehen überholt wird, sondern alles (genauer: fast alles) von der Persönlichkeit der Sprachlehrerin abhängt, während letztlich der eigentliche Erfolg beim “Objekt der Methode”, dem Schüler, zu suchen sei;
“… das ist doch ganz banal: Eine Frage der Chemie. Dass daneben spezielle Schüler spezielle Methoden brauchen ist doch auch bekannt; bei der Wahl der Methode wäre allerdings die Freiheit von Vorurteilen von Vorteil… “
Annelie fand sich mal wieder in der moderierenden Rolle, verwies auf den “produktiven Unterschied” zwischen Lehrerinnen-Schüler- und Prechtel-Konsumentel-Relation, vermutete auch eine Korrelation zwischen Sprach- und Diätschulung und legte der Qualifizierungspraktikantin nahe, gar ans Herz, eine entsprechende Adaption, sinngemäß ein “Kleines 1×1 der Abnehmkunde”, genauer: “Didaktik der (Gewichts-)Regulation, ” zu erstellen.
Mir war die Gesprächsrunde mittlerweile doch zu anstrengend geworden, also sorgte ich für eine Pause:
“Ich möchte Euch eine – wenn auch virtuelle – Zwischenmahlzeit anbieten, und bitte um Euer Verständnis, wenn ich jetzt “einfach so” eine heiße Suppe auf den Tisch stelle; nichts besonderes, eigentlich nur ein Rest etwas zu dünn geratener Sauce zu “Königsberger Klopsen”. mit einer ziemlichen Menge frischem Dill.Vielleicht verbraucht das Gehirn im “Philosophie-Modus” ja auch mehr Energie als durchschnittlich; wenn ich nur an Gadamer denke, der noch mit 100 Lebensjahren über Kant, Plato, Sokrates, Thales, Pythagoras und viele Andere doziert hat, dass einem der Kopf schwirrt, oder wenn ich unter “Sokrateische Dialoge” lese, dass “… die Änderung der bisherigen Einstellung als Ergebnis der geistigen Auseinandersetzung … davon ab[-hing], dass die Einsicht selbst erlangt bzw. „geboren“ wurde” …”
Annelie konnte meine “Ermüdung ob der Philosophie” nachempfinden, denn
“es hat durchaus mit Denken zu tun, mit reinem Denken und unreinen Gedanken, Läuterung, Denken an sich, für sich – und wer denkt dabei an mich, und nicht nur an sich oder Alle, global – und an die Erleuchtung, an Logos, Logos und Zeichen, Symbolik, Bedeutung, Doppeldeutung…”
Ute meinte wiederum:
“Ich habe immer Schwierigkeiten mit dem reinen Sein, dem Sein an, oder an und für sich – diese Einsicht, das innere Kind gewissermaßen zu gebären, dann aufzupäppeln, an feste Nahrung zu gewöhnen und dann mitzuerleben, wie seine Sozialisation vergesellschaftet wird, es sich autonomisiert, uns verlässt – das sind doch schmerzliche Prozesse, die keiner Genderrproblematik unterliegen – es sind doch vorwiegend die Mütter, die ihr Einsichtskind, ihre kindliche Einsicht, herausstellen und “meine Einsicht ist die stärkste!” skandieren.”“Nicht zu vergessen die Sinnfrage!”
war in diesem Zusammenhang meine Warnung, und die Frage, was vor dem Urknall war, sei ja immer noch nicht zufriedenstellend beantwortet.
Annelie war währenddessen zum Kühlschrank geschlendert, fand aber nur Handkäse und Kondensmilch sowie, mit einem Teller abgedeckt, eine Tonschüssel, die sie “dekorativ” aufbaute. “Eigentlich hätte ich ja Lust auf Kässpätzle mit Kimchi, aber dann halt nicht.” Sie bat mich, doch “vorher” noch ein Foto zu machen.
Annelie fand die Spiegelung der Möhre “interessant”, Ute mochte das Bild wegen der partiellen Unschärfe nicht. “Alles eine Frage des Focus, der Perspektive, der Blende, und man muss nicht alles perfekt steuern”, sagte ich dazu.
“Möhre-Apfel-Sellerie – das ist die reinste Nervennahrung” meinte Annelie hinterher, und Ute stimmte zu.
Als Nachtisch für die Kantinen/Humanrelationsbeauftragete und ihre Praktikantin gab es je einen Handkäs’-Hamburger – ich selbst hatte meinen “5:2-Fastentag”.
Somit gestärkt, machten wir noch ein kurzes Brainstorming, die Angelegenheiten betreffend, über die wir heute nicht sprechen würden, kamen auf
“Massenmedien, Gleichschaltung, Manipulation, Themen-Hoheit, Lohntrolle, Tendenzprediger – und der Respekt vor “der Schrift”, Vertrag, verfahrenes Verfahren, Demokratie und Volksabstimmung, Kellerbahnhof Stuttgart 6,x Mrd – Rechnungshof: 10, Ticketpreise, Dekonstruktion, United Artists – Neomedialer Zusammenschluss”.
Annelies Anregung, nun doch noch einen weißen Tee zu kochen, hatte ich auch so erwartet und verschwand, damit meine Zustimmung ausdrückend, in der Teeküche.
Kitchen-Fiction mit A. Schmidtchen
Das Essen ist die Religion des kleinen Mannes, der Kitt der Gesellschaft, es hält Leib und Seele zusammen.
Die Kantine, als Schmelztiegel der Arbeitswelt, soll künftig auch Super-Rezepte zum Abnehmen anbieten – deshalb gibt es hier garnierte Geschichten, die sich um Lebensmittelklarheit und -Aufklärung ranken, unter dem Banner des Selbstbestimmungsrechts auf dem eigenen Teller.
Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, wobei das Beste ist, dass die Artikelserie fortgesetzt wird !
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