Da gab es doch mal einen Lebensmittelchemiker mit einer regelmäßigen Radiosendung – “Prost Mahlzeit (?)”, der unsere Nation über den Unwert des Salats aufgeklärt hatte:
“Abermillionen Taschentücher … wachsen [an Spaniens Mittelmeerküste] zum Teil unter den Planen, zum Teil auch auf Tausenden Hektar freier Fläche – … . Blattsalat … belebt höchstens optisch.
Der Heilbronner Lebensmittelchemiker Udo Pollmer jedenfalls bescheinigt dem Gemüse die ,,Ernährungsphysiologie eines Papiertaschentuchs mit einem Glas stillen Wasser”. Wenn das so ist, werden im trockenen Spanien täglich Millionen Liter Wasser vergeudet, um ein Lebensmittel anzubauen, das vor allem eines enthält: so gut wie nichts.” (Quelle)
Nebenbei: Ich bin sicher, dass 90 von 100 LeserInnen nicht wissen, was mit “Ernährungsphysiologie” gemeint ist, aber das macht nichts, denn ernst war das Ganze eh nicht gemeint, sondern “nur” polemisch – aber es war eine wirkungsvolle Polemik, hatten doch diejenigen, die gegen den einen oder anderen Versuch, sich vernünftig zu ernähren anstänkern wollten (oder – defensiv – mussten), mit dem Verweis auf das feuchte Papiertaschentuch unangenehme Assoziationen hervorgerufen und die Diskussion vergiftet.
Berechtigt ist allenfalls die kritische Haltung denen gegenüber, die ihr Grundwasser zerstören – aber das tun Deutsche Schweinemäster ja auch.
Jedenfalls musste die Presse den Quatsch aufgreifen und breittreten – auch die Erwiderung, Artikel mit dem Tenor: “Aber Salat ist doch, doch gesund”, Aufschlüsselungen über Salat-Vitamine und Sättigungskoeffizienten verwissenschaftlichten die Diskussion, aber das Publikum hatte nichts von der irren Diskussion, denn “wenn schon die Fachleute sich nicht einigen können – wem sollen wir dann noch glauben?”
Vielleicht der Natur? Es ist wohl möglich, zu testen, welche Tiere einem feuchten Papiertaschentuch gegenüber einem grünen Salat den Vorzug geben – und schon haben wir eine Aussage über den ”biologischen Wert” von Papier und lebender Pflanze.
Aber auch High-Tec-Tests sind schon lange machbar;
Dass frischer Blattsalat das antioxidative Potenzial, also die Fähigkeit, schädliche freie Radikale zu binden, im Blut erhöhen kann, bestätigt auch eine Studie mit elf Probanden, die in Rom durchgeführt wurde. Die Forscher untersuchten deren Blutplasma nach dem Verzehr von frischem sowie von gelagertem, abgepacktem Kopfsalat. Dabei zeigte sich: Je frischer die Blätter, desto höher der gesundheitliche Gewinn. Während frisch gepflückte Blätter zwei bis drei Stunden nach dem Verzehr die Stoffe Quercetin, Vitamin C, Beta-Carotin, Cumarin- und Kaffeesäure freisetzten, stellte sich nach dem Genuss von abgepacktem Salat kein vergleichbarer Effekt ein. (Quelle)
Wahrscheinlich ist dieser Test reproduzierbar, und kann so interpretiert werden: “Alt-Salat ist eher wertlos”. Was dann die Aufforderung:
“Esst frischen Salat”
nahelegt. Die kam aber nicht von dem sich fröhlich (oder missmutig?) schneuzenden Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, von dem kam überhaupt nichts hilfreiches, differenzierendes, erklärendes, sondern nur Desinformation und Desorientierung. Konstruktiv wäre eher: “Wenn das mit den Transportwegen den Salat nun wirklich nicht frischer macht – pflanzen wir ihn doch (wieder) da an, wo wir wohnen!”
Experten, die nicht auch mal sagen können “Ey, echt – da habe ich keine Ahnung”, sondern zwanghaft Halbwissen verbreiten und als absolute Wahrheit verkaufen, sollte man die Lizenz entziehen…
Eine gewisse Notwendigkeit, hier noch auf die Arbeit des Mikrobioms hinzuweisen, gibt es schließlich auch noch. Nicht, dass dieses sich ausschließlich von Salat ernährt – aber auch. Und dann machen wir mit dem Papiertaschentuch-Vergleich das, was wir sonst eigentlich immer mit Papiertaschentüchern, nach Gebrauch, machen…
Nachtrag:
Siehe auch diesen Artikel in “Schrot und Korn”
“… Udo Pollmer ist Teil der Unterhaltungsbranche. Als Wissenschaftler kaum noch ernst genommen, tummelt er sich in TV- und Radiostudios. Dort ist Provokation um ihrer selbst willen „hip“: „Pollmer stellt fast alles auf den Kopf, was wir über die Wirkungen des Essens zu wissen glauben“, schrieb das Magazin Focus in klammheimlicher Bewunderung. …”
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