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Rezepte-Design aus dem Computer – Eröffnet Annelie die modernste Kantine der Welt?

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Annelie hatte “nur im kleinen Rahmen, nichts ausführliches” ein Meinungsbild erstellen lassen, mit einer repäsentativen Stichprobe der Bevölkerung, und ein Ergebnis war: Das durchschnittliche Interesse an Diätberatung, gar philosophischer Diätberatung, ist verschwindend klein.

“Ich hätte mir so etwas schon gedacht – aber Du hast mich ja nicht gefragt!”

Ich sagte das ganz sachlich, war auch nicht im Geringsten wütend – das allgemein fest verankerte Vorturteil, dass richtige Diät in der Brigitte steht und alles Andere Fauler Zauber ist, dass “die eigentliche Diät” oder “Diät im eigentlichen Sinne” ein Hirngespinst, aber nichts für ehrliche Bürger ist, kenne ich dann doch zu gut:

“Man kann aber einen Schokopudding als Anti-Diät-Fastenspeise im Rahmen einer 5:2-Diät verkaufen…”

Ute erinnerte sich, dass die Schwestern sie damals, im Rahmen der Kinderverschickung zwecks “Aufpäppeln der Kleinen” ihr so einen Pudding – nur ohne Birnen – vorgesetzt hatten, und sie ihn gleich weitergereicht hatte, an ihre Tischnachbarin, die zwecks Gewichtsabnahme an der See im Kindererholungsheim war…

“Schön, dass Du Dich an alte Geschichten erinnerst, Ute – aber erinnerst Du Dich auch an Deinen Auftrag mit der Abnehm-Didaktik?”

Annelies Stimme hatte einen winzigen Anteil von Bedrohlichkeit, nach meinem Empfinden, aber Utes Reaktion war durchaus souverän:

“Ach Annelie, natürlich hab’ ich meine Hausaufgaben gemacht – aber ich muss mich mit meiner  Arbeit auch nicht in den Vordergrund drängeln, der Praktikantin steht das wohl nicht zu. Diese Abnehmdidaktik ist außerdem auch noch nicht erprobt, das Konzept müsste im praktischen Versuch ausgefeilt werden und müsste doch immer neu adaptiert werden. Ihr solltet den Entwurf längst im Postfach haben…”

Mit dem im leichten Plauderton geschriebenen 16-Seiten-Dokument werden wir uns bei der nächsten Sitzung beschäftigten, beschlossen wir – Annelie wollte uns heute  ohnehin in Ruhe die Praxis der digitalen Vorliebenerkennung vorstellen, die “seit geraumer Zeit” bei der Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB), die wegen des Brexit in Frankfurt am Main eine Filiale eröffnen will, praktiziert wird:

“Sicher kennt ihr die Prinzipien der digtalen Gesichtserkennung – die basiert auf Augenabstand, Länge der Nase, Kinnlinie, Abstand, Form der Ohren und manchmal noch weiteren Gesichtsmerkmalen; aus diesen Werten errechnet das Programm ein  dreidimensionales Objekt, dessen Parameter einzigartig wie die individuelle Iris (“Iriserkennung”) oder der Fingerabdruck sind.

Nun hat es sich gezeigt, dass die Gesichtsmuskeln, die für die Mimik verantwortlich sind, gewissermaßen von den Emotionen angesteuert werden.

Es gibt also bei Mensch und Maschine eine Verknüpfung von Sehen, interpretieren, und erkennen; die Mimik reagiert auf innere Reize (Emotionen) wie auf äußere  Reize, die Emotionen hervorrufen. Dadurch können wir auch Zustimmung  oder negative Erwartungen, die eine Lebensmittel-Rezept hervorruft, diagnostizieren, indem wir einfach das Bild des Betrachters eines Lebensmittelfotos digital analysieren – deshalb auch die weite Verbreitung der sogenannten Webkameras.”

 

“Soll das heißen, Du kannst mit Hilfe einer Reihe Lebensmittelfotos die alimentären Präferenzen jedes Betrachters feststellen?

Utes Frage führte zu einer kurzen Pause, die ich nutzte, um ein Foto mit vermutlich geringer allgemeiner Bevorzugung einzufügen:

Annelie meinte, genau das von Ute vermutete sei durchaus möglich – und auch üblich:

“… wenn wir auch noch am Anfang einer Entwicklung stehen, wenn auch vielfach noch die künstliche Intelligenz als “das größte Kind der Welt” belächelt wird, weil Kinder auch den ‘Begriff “ungefähr” im Wortschatz haben, also schätzen können…”

Ich musste an das breite und das schmale Trinkglas mit gleichem Inhalt denken, bei dem Kinder regelmäßig schätzen, dass das schmale Glas mehr Flüssigkeit enthält, aber auch eine andere “Schätzung” kam mir in den Sinn:

“Bei der Kostenabschätzung von Bauprojekten geht es ja auch nicht um den genuauen Betrag auf Heller und Pfennig, sondern um verlässliche Prognosen; Stuttgart 21 wäre von einer künstlichen Halb-Intelligenz sicher schon längst gecancelt, aber offensichtlich geht es den Herrschaften darum, einen “Gesichtsverlust” zu vermeiden; bloß – ihr Gesicht werden sie ohnehin alle verlieren, wir alle, bestenfalls, wenn es von einem Grabstein beschwert ist.

Schätzungen seitens der Technik gibt es aber schon seit langem; im Optik-Bereich etwa beim “predictive Focussing” mittels Fuzzy Logik.”

Ich hatte hier einen privaten Ärger, der aus dem Hintergrund heraus wirkte: Eine Bahnfahrt nach Berlin war mir unlängst zum finanziellen Fiasko gerazen – jedenfalls hatte ich den Preis – für ein Massenverkehrsmittel – als stark überhöht, den Komfortfaktor in  der zweiten Klasse hingegen als zu gering empfunden, und weil ich daraufhin recherchiert hatte, wie diese Preise zustandekommen, ist auch mein Unmut über die Kostenstruktur des Staatsunternehmens, das einen sündhaft teuren Kellerbahnhof vergräbt, den niemand braucht “entbrannt”.

 ”Mit Deinem “predictive Focussing” ist es aber nicht allzuweit gediehen?!?”

Ute hatte eines der Vorschaubilder auf meinem Tablett vergrößert und wollte nun wissen, was für eine Brühe das denn sei und wer die auslöffeln solle.

Bei nächster Gelegenheit wollte ich mal überschlagen, wie lange Utes Praktikum noch dauert, fragte mich insgeheim, ob bei ihr die Ess-Sucht von einer Streitsucht überlagert ist, sagte aber “offiziell” nur:

“Die Brühe mit den Extra-Milliarden, die Stuttgarts Edel-Kellerbahnhof verschlingt, sollen wir alle auslöffeln; gerecht wäre es, wenn die, die in einem kokalen Volksentscheid, der über Steuergelder aus dem gesamten Bundesgebiet entscheidet, schwäbisch und vollumfänglich persönlich haftbar wären. Ansonsten:

Gerne darfst Du die besseren Lebensmittelfotos machen, liebe Ute, und wenn die dann grenzenlos scharf sind, wirst Du das Gefühl nicht los, dass das menschliche Auge eine andere Wahrnehmung hat als Deine künstliche Linse. Die Sache mit der “fuzzy Logig” bezieht sich auf bewegte Objekte, bei denen auf die zu erwartetende Position zum Zeitpunkt des Auslösens fokussiert wird.

Die Brühe im Teller ist halt Brühe ohne alles, fast ohne alles: Lediglich abgeschmeckt mit wenig Kräutersalz, selbst gemachtem. In dieser Form empfiehlt sie sich als Vorspeise zu den Kartoffelpuffern, die allerdings mit Apfelbrei zu servieren wären.
Schnippelst Du noch etwas Gemüse hinein,

lässt darin ein paar Fleischbällchen ziehen und würzt mit Soja-Sauce und Kräuter-Essig, kann ein armer Mann mit wenigen Kalorien satt werden, und auch Deine Linie nähme keinen Schaden.”

 

Annelie merkte an dieser Stelle an, dass es – ihres Wissens – noch keine digitale Geschmackserkennung anhand optischer Daten gebe, weil der Technische Fortschritt in der Küche deutlich hinter den  Möglichkeiten zurückbleibe.
Eine weitere Schwachstelle der computerisierten Gefühls-Zustands-Diagnostik liege übrigens darin,

“… dass unter bestimmten Bedingungen die Mimik nicht stimmt; dass Kaugummi-Kauen die Emotions-Erkennung beeinflussen kann, ist zwar störend, störender ist aber der Kaugummi-Müll, nach der Verwendung, wenn er z.B. die Fußgängerzonen zupflastert; eine volkswirtschaftliche Katatrophe – womit ich das Schwäbische Milliardengrab nicht bagatellisieren will.”

Dass man die Zustimmung oder Ablehnung hinsichtlich eines Produkts, hier die Stärkes des “Begehrens”, das einer Mahlzeit entgegengebracht wird, messen kann, fand ich allerdings interessant. Man könnte diese Messdaten ja auch nutzen um den Genuss zu steigern, das Rezept zu verfeinern…

 

“Gerade beim Chili gibt es so viele  Variationen, und wenn man computerisiert die Verzweigung der bevorzugten Geschmäcker analysiert, die Kombination aller Grundaromen, grundlegenden Substanzen, seien das  Pflanzen oder Tiere durchspielt, könnten sich ganz neue Rezepte ergeben!”

 

Gesunde Ernährung und künstliche Intelligenz

Ute hatte inzwischen nach einer vier-Zeilen Erklärung, was unter “gesunder Ernährung” zu verstehen sei, gesucht und war fündig geworden, bei einer Internetseite namens “Diabetes-Nachrichten”:

“Die Ernährung für Menschen mit Diabetes-Typ-2  sollte besonders ballaststoffreich und wenig energiedicht sein um das Gewicht halten zu können oder um abzunehmen. Die Nahrung sollte in mehreren Mahlzeiten über den Tag verteilt aufgenommen werden, abgestimmt auf die Medikation.”

Annelie lobte Ute wegen ihrer Kooperationsbereitschaft, warnte aber davor, sich der Illusion hinzugeben, die so Beratenen so an eine ballaststoffreiche und wenig energiedichte Ernährung heranzuführen, führen zu können.

“Und wenn “Volumetrics” dreimal der Stein des Wesen wäre, der Hauptschlüssel zum Problem: Das übergewichtige Volk ist süchig nach Mayonaise und energiereichem Futter!”

Ute widersprach, wies darauf hin, dass auch ein Buttermilch-Drink (Hier mit Kresse und Radieschen) mal eine komplette Mahlzeit ersetzen kann.

“Für einen Möbelpacker im Einsatz ist das aber höchstens ein Durstlöscher”,

meinte ich, stellte bei der Gelegenheit noch panierten Kartoffelbrei mit Yoghurt-Sauce vor,

 

Annelie meinte dazu:

“Ich finde sowas ja durchaus bedingt ausbaufähig. Weil ich neulich so ein Frage-Antwortspiel gefunden habe:

Wie viele Leute arbeiten bei euch?
Ungefähr die Hälfte.

… möchte ich hier und heute anmerken, dass wir alle recht fleißig waren, und uns jetzt recht eigentlich einen gelben Tee verdient haben, wenn den jemand kocht…”

Das war doch nett gesagt und verdiente, dass ich den Tee im besten, dünnsten Porzellan, das sich im Haushalt befand, servierte…

 

 

Kitchen-Fiction mit A. Schmidtchen

Das Essen ist die Religion des kleinen Mannes, der Kitt der Gesellschaft, es hält Leib und Seele zusammen.

Die Kantine, als Schmelztiegel der Arbeitswelt, spart nicht beim Salz an der Suppe, soll künftig auch  Super-Rezepte zum Abnehmen anbieten – deshalb gibt es hier garnierte Geschichten, die sich um Lebensmittelklarheit und -Aufklärung ranken, unter dem Banner des Selbstbestimmungsrechts auf dem eigenen Teller.
Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge  stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, wobei das Beste ist, dass die Artikelserie fortgesetzt wird !

 

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