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Wenn das Essen ansetzt

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Neulich hatte ich mit einer ehemaligen Kollegin über ihr Gewicht – ihr Übergewicht gesprochen. Sie hat die letzten Jahre über permanent zugenommen und ist spätestens  jetzt an einem kritischen Punkt angekommen: Die Blutzuckerwerte sind erhöht, ob sie insulinpflichtig ist, wird demnächst getestet, Tabletten nimmt sie bereits ein. Im Gespräch sagte sie, ich zitiere wörtlich, so weit das aus dem Gedächtnis möglich ist:

“Wenn ich so sehe, was die anderen essen – also bei mir setzt das an”.

Als ich sie gebeten habe, das doch einmal zu erklären, meinte sie, dass sie ja gar nicht mehr isst, als Andere,  aber die Nahrung sich nur  bei ihr  in Fett verwandelt, das der Körper einlagert (das Übliche: Bauch, Beine, Po) eben “ansetzt”.

Und:  “Andere können essen, was sie wollen und bleiben schlank”.

Ob das ein Wunder ist oder überhaupt verwunderlich, wäre noch einmal zu hinterfragen:  Wer so viel oder wenig isst, wie er (sie) braucht (verbraucht), nimmt nicht zu, kommt auch mit kleinem Kaloriendefizit  irgendwann auf sein (ihr) Idealgewicht, und deshalb gibt es auch Frauen, die nach einer Schwangerschaft, die oft mit Gewichtszunahme verbinden ist, wenn Frau eine Zeit lang “für zwei” isst,  wieder erschlanken. Das können wir dann als natürliche, gesunde und automatische Gewichtsregulation begrüßen.
Andere behalten das mittlerweile gewöhnte Mehr-Essen bei, und natürlich auch ihr so erworbenes Übergewicht. Daran ist eigentlich nichts verwunderliches – aber die Frage stellt sich, wo denn hier die natürliche, gesunde Gewichtsregulation bleibt.

“Es setzt halt an” gilt hier als Erklärung, aus diesem Denkansatz wird weiter gefolgert: Wenn es halt ansetzt, und ich weiß nicht, warum es ansetzt, weiß ich auch nicht, was ich ändern kann, und geht in die Richtung: “Da kann man nichts machen”. Mit diesem logischen Problem werden dann andere “gefoltert”, denn wir haben hier ein Rätsel, das unlösbar erscheint. Ein Rätsel allerdings, das auf falschen Prämissen beruht.

 

Rätselhaft ist auch die Frage:

Was tun, wenn Familienangehörige zunehmen und gar nicht mehr damit aufhören?

 

Kleine Abschweifung:

Der Gebärneid

Dass Männer, während ihre Frau schwanger geht, parallel zunehmen, wäre vielleicht verwunderlich, ist vielleicht  nur über die Theorie  zu erklären, dass sie am liebsten auch ein Kind zur Welt bringen möchten; jedenfalls gibt es den Begriff  “Gebärneid”, der letztlich diesen unbewussten Wunsch bezeichnen soll. Weil wir uns diesen  Wunsch aber als “unbewusst”  denken sollen, ist seine Existenz nicht allgemein zu beweisen, und natürlich bekommen wir nicht von allen Männern das Eingeständnis, dass sie vom Gebärneid geplagt sind oder waren.
Schwanger-Sein bedeutet aber auch: Mehr Aufmerksamkeit bekommen, mehr Rücksicht erwarten können, sich-schonen- sollen. Vom männlichen Neid auf diese “Schwangerschafts-Privilegien” ist selten die Rede, er fällt, wenn vorhanden, wohl auch in die Kategorie “Gebärneid”. Je nachdem, wie die Verhältnisse in der jungen Familie sind, “darf” der Mann in der Zeit um die Geburt helfen bis pflegen, wenn er in diesem Zusammenhang ein “Aufmerksamkeitsdefizit” empfindet, ist das “sein Pech”, das kaum jemand nachvollziehen mag.

Lummerbraten

ein guter Braten setzt nicht an

Er hat dann ein Problem, mit dem er alleine bleibt, was auch für die verbreitete, machnchmal arg verlängerte “schwangerschaftsbedingte Abstinenz” zutrifft, die nur selten zum Thema gemacht wird, aber augenscheinlich mehr Nöte beim Mann als bei der Frau verursacht.

Das Sprichwort “Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr” trifft den Nagel auf den Kopf: Nur müssen die Männer wissen, dass sie schon von der Befruchtung an Väter sind. Die neue Rolle stellt neue Anforderungen an Mutter und Vater. Die Mütter werden auf ihrem Weg in die neue Rolle intensiv betreut (zumindest körperlich) und finden stets ein offenes Ohr für eventuelle Sorgen, beim (werdenden) Vater erwarten alle, dass er schon zurechtkommt und niemand scheint daran zu denken, dass er Sorgen haben könnte.
Der Männerbauch kann eine symbolische Bedeutung haben; ein “Schwangerschaftswunsch”, der sich so ausdrückt, müsste aber nach neun Monaten dazu führen, dass “das Kind” auch zur Welt kommt; das heißt, wenn der Bauch Ideen, die entstehen und zur Welt gebracht werden wollen, ausdrückt, darf Mann sie nicht übertragen, da sie schließlich außerhalb Seiner er-wachsen sollen.

Mutterschaft bedeutet für viele Frauen: “Ich verwirkliche mich”.  Mit der Vaterschaft ist die Selbstverwirklichung weniger eng verknüpft. Hier gilt es, die väterliche Rolle zu stärken. Welche Chancen die heutige Kleinfamilie dazu hat, kann sie intern aushandeln.

 

Bewusstlos zugenommen

Auch ein “plus” von 10 Kilo in enem halben Jahr verteilt sich auf 180 Tage, so dass man von einem Tag auf den anderen die “kleinenVeränderungen” nicht wahrnimmt. Früher gab es ja auch kleinen Schwankungen – wenn aus dem auf und ab ein dauerndes Zunehmen geworden ist, fühlt man sich machtlos.

Auch beim männlichen “Schwangerschaftsspeck” geht es um abschmelzen, behalten – oder auch weiter Zulegen. Die Gewichtszunahme hatte veränderte Essgewohnheiten zur Voraussetzung, und wenn das “neue Essen” zur Gewohnheit geworden ist, die nicht wieder abgelegt wird, bleibt es bei der linearen Zunahme an Gewicht. Manchmal denkt man an einen Luftballon, der unaufhaltsam aufgeblasen wird, und befürchtet: “Wenn das so weitergeht, platzt er bald”, oder wird ernstlich krank.

Während dem zunehmendem Mann unerklärlichist, was mit ihm geschieht, macht die Frau sich offenbar keine Sorgen. Das ist schlimm, schlimmer sind Frauen (auch aus der Kategorie Mutter), die mal lästern, mal schweigen. Ausnahmefrauen machen sich Sorgen, befürchten aber, wenn sie etwas sagen, würde das als ungerechtfertigte Kritik oder Nörglei abgetan, abgelehnt.

Umfang mit Schrecken

Der Schrecken über das veränderte Körperbild hält sich bei einem selbst in Grenzen, dass alte Hosen zu eng werden, muss daran liegen, dass sie in der Waschmaschine geschrumpft sind. Auf solche Erklärungen sind Betroffene tatsächlich schon gekommen. Hier wird das Problem verleugnet, was auch bedeutet: Man ist nicht ehrlich mit sich, weil es peinlich ist.  Ohne Lösungsweg ist es auch nur ärgerlich, ständig an ein Problem zu denken. Und wer bringt einen schon auf einen gangbaren Weg? Lösungsvorschläge wie “Sport im Studio”, im Verein sind mit Ängsten und Schrecken verbunden, und außerdem haben bisher entwickelte Gewohnheiten doch auch ihre Berechtigung oder sind zumindest eingeschliffen. Während das Essen ansetzt, sitzt man selbst viel herum, oder umgekehrt.

Selbst-Beruhigung und Erklärung, Rechtfertigung

“Essen als Droge” ist immer eine schöne Erklärung für übermäßiges Essen. Der Viel-Esser nimmt das Übermaß gar nicht wahr, wenn er beim Burger-Bräter einkauft, das Essen heißt dort nicht umsonst “comfort-food”, ist weich, muss kaum gekaut werden. schmeckt auch immer gleich gut, Fett und weiche Brötchen rutschen glatt durch den Schlund – fast-food ist fürs schnelle Essen optimiert, der mit der Zeit geweitete Magen hat ein ordentliches Fassungsvermögen, die Sättigung erfolgt erst ziemlich spät und hat mit dem Energiewert der Nahrung, die den Bedarf schon überschritten hat, wenig zu tun. Insofern lautet die Begründung auch mal: Es schmeckt halt”, und wo augenscheinlich weniger geschlemmt wird, “Es setzt bei mir halt an.”

So oder so wird zuviel vom Falschen gegessen, oder getrunken, denn der Zucker in den Getränken und Limonaden, seien sie braun oder farblos, addiert sich auf dem Kalorienkonto als Guthaben mit Verzinsung.

Das Ansetzen – wörtlich genommen

Witze über Diäten sind oft grottenschlecht. Einer von denen geht so:

“Diätarzt zum Patienten: “Ich möchte bloß wissen, wie Sie zunehmen, ohne viel zu essen.”
“Ganz einfach, ich nehme schon zu, wenn ich in der Zeitung das Fettgedruckte lese.”"

Vom bloßen Hinschauen nimmt niemand zu. Wie genau man hinschaut, ist vielleicht das Problem. Man sieht die Anderen entspannt bei der Käseplatte, und die werden davon nicht dick. Der Denkfehler ist vielleicht, zu denken, die würden die ganze Käseplatte leerräubern. Das setzt allerdings an; zwei, drei Kostproben jedoch nicht.

Optimierte Verdauung – verwertbare Ballaststoffe durch spezielle Bakterien?

Kein Körper kann aus 1000 “eingenomenen” Kalorien das Doppelte machen. Wenn die Verdauung eine Rolle für die Energiegewinnung spielt, wenn schädliche Bakterien auch aus Ballaststoffen noch verwertbare Energie gewinnen, kann man versuchen, den Darm zu sanieren, oder muss sich der optimierten Energiegewinnung anpassen und noch weniger essen – wobei es sich lediglich um durchschnittlich 20 Gramm Ballaststoffe handelt, die wir maximal täglich zu uns nehmen

Die Bedeutung der  “Firmicuten” genannten Bakterien  im Darm von (manchen!) Dicken ist also maßlos überschätzt worden; diese Diskussion führt nicht weiter.

Die Frage: “Warum nehmen die anderen nicht zu, ich aber doch” führt also ins gedankliche Abseits, aufs Abstellgleis: Da geht es nicht weiter.

Trotz aller Unkenrufe über die “Firmicuten”  essen unsere fülligen Mitbürger vielleicht zu wenige Ballaststoffe – und vergessen wir nicht die bereits genannten Zucker-Getränke, deren Kalorien  zählen, selbst wenn sie wasserlöslich sind. Ebenso ist Milch genau genommen kein Getränk, sondern Nahrungsmittel. Auch die “geistigen Getränke”, die mit Alkohol (Wein-Geist), sind im Gegensatz zu geistiger Nahrung aus Büchern recht energie-beladen.

Doch der Mensch ist, was er isst…

Wenn das Bauchgefühl uns sagt, dass längst nicht alles ansetzen muss und es auch andere Möglichkeiten gibt, als zuzunehmen, bestätigen wissenschaftliche Befunde, dass es merkwürdige Zusammenhänge zwischen Essen und Sein gibt:

Javier Bravo vom University College York zum Beispiel wies kürzlich bei Mäusen sogar eine direkte Verbindung zwischen Darmbakterien und Gehirnfunktion nach. Fraßen die Mäuse Futter mit dem Probiotikum Lactobacillus rhamnosus, so änderte sich ihre Hirnchemie: Ihnen wuchsen in den Hirnregionen für Lernen, Gedächtnis und emotionale Kontrolle mehr Gaba-Rezeptoren, die auch eine beruhigende Funktion haben. (Quelle)

Das könnte auch mit dem Darmgehirn zusammenhängen. Von dem, was wir essen, gehen auf indirektem Wege auch Stimmungsveränderungen und Verhaltensänderungen aus – als “unbewusste Folgen des Essens”.  Das wenige, das wir darüber wissen, reicht aber, zu verändern, was wir essen: Jedenfalls kein Fast food, bitte.

 

Nachtrag:

“Wenn ich so sehe, was die Anderen essen…” – das ist eine Satzeinleitung, die von dem, worauf es ankommt, schon mal ganz gut ablenkt: Besser ist es doch, als Betroffener darauf zu schauen, was ich selbst zu mir nehmen. Dann wird auch ein Schuh daraus, der passt:

“Wenn ich so sehe, was ich esse – also bei mir setzt das an!

Kommt hinzu, dass ich oft gar nicht hinschaue, was ich esse, und es also auch nicht sehe:  Plötzlich ist es weg, und setzt an, obwohl es “weg” ist.  So ähnlich wie die 125 Gramm Marzipan-Kartoffeln, die ich neulich im Laden von der Aktionsfläche mitgenommen habe. Die sind erst gar nicht zu Hause angekommen, sondern auf dem Weg verzehrt worden. Insofern können wir den Satz auch ändern in:

Wenn ich so sehe, was ich esse – also das setzt bei mir an!”

 

Noch eine Randbemerkung zu dem unfreiwillig dicker werdenden Manne:

Natürlich steht dick-werden beim Mann nicht immer im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft. Auffällig ist aber, dass dicke Männer mal von ihren Frauen gehänselt werden, mal das Problem nicht angesprochen wird. Nur auf Verdacht: Die zentrale Fragestelung könnte hier sein:

Wie sag’ ich es meinem Kinde?

Ich bin mir dabei bewusst, dass dieser Artikel keineswegs irgend eine Klarheit gebracht hat, sonder nur Hintergründe und Randerscheinungen aufgezeichnet.

Das eigentliche Problem muss schon im rechten Licht betrachtet werden. Nebenaspekte, wie der Nonkonformismus der Dicken, die sich herrschenden Idealen einfach nicht anpassen mögen, spielen auch ihre Rolle. Eine zentralere Rolle spielt die Selbstliebe. Wo die zu gering ausgebildet ist, schlägt sie um in Selbsthass, Selbstzerstörung:

Self-Love is headed for  Self-destruction“.

Die mangelnde Selbstliebe wird von der Selbstzerstörung übertrumpft. “Eigenlob stimkt” und “Hochmut kommt vor dem Fall” sind Sprichworte, die manchmal sinnvoll sind, manchmal nur übergroße und selbstschädigende Bescheidenheit einfordern.

“Self-Destruction” sind chronische Krankheiten allemal.

Was hier so ansetzt, sei dahingestellt. Die Kollegin geht jetzt ab und zu spazieren: “Das soll ja auch für den Zucker gut sein”. Ob sie dabei Ballast abwerfen kann, und welchen, wird sich zeigen. 10 überflüssige Kilo Fett sind eine Belastung für den Körper, sie loszuweren, wäre eine Entlastung.

Warum Manche sich das Vorankommen schwerer als nötig machen?

Sie schlagen sich den Bauch voll, im wahrsten Sinne des Wortes. “Hau rein” ist beim Essen ein Kommando, dessen aggressive Wurzel kaum zu ignorieren ist. Der derart behandelte Bauch kann auch schon mal schmerzen, weil er zu voll ist, was jetzt ansetzt, ist der Anteil der Nahrung, den der Bauch als solcher gar nicht gebraucht hat.

Was wir unter Ballast verstehen dürfen, beleibt offen, muss jeder individuell entscheiden. Es kann/sollte  sich dabei auch um kontraproduktives Verhalten handeln, das abgelegt wird.

Die Aussprache mit Familienangehörigen ist natürlich wichtig. Es gibt Muttersöhnchen, Müttertöchterchen, und Mütter, die keine Probleme ansprechen. Wer würde dann noch dem Müttersöhnchen sagen, dass es zu fett ist? Männer, die nicht merken, wie kugelig sie werden, erscheinen mehrfachen Sinne als wenig selbst-bewusst.
Es gibt Mütter, die wegschauen und  ihre Söhne verfetten lassen; Erstere aufzufordern, doch einmal den Muns aufzumachen, wäre mal einen Versuch wert.

 

Ausreden sind und waren nie die Lösung zur Gewichtsabnahme

“Als ich mit dem Rauchen aufgehört habe, habe ich dreißig Kilo zugenommen. Heute noch genieße ich es, wenn Andere rauchen.”

Dieses Zitat meiner ehemaligen Kollegin, bei der alles ansetzt, was die anderen essen, hat noch gefehlt. Sie hat zwar oberflächlich ihr Rauch-Suchtverhalten unter Kontrolle, aber nicht innerlich damit abgeschlossen. Eigentlich ist sie noch eine Anhängerin des Nikotins. Eigentlich ist sie von dieser stofflichen Sucht noch nicht frei – und offensichtlich ist auch ihre Affinität zum Zucker, von dem sich jetzt zu viel in der Blutbahn findet.

Sie hat “immer mal so Phasen, in denen sie bestimmte Lebensmittel bevorzugt”. Aktuell handelt es sich um Hefekuchen mit Mandeln, saurer Sahne und Zucker. Davon kauft sie sich nicht ein ganzes Blech, sondern nur ein Stück am Nachmittag.  Genehmigt. Andere lieben “ihre Nussecken”.  Ihre Tochter ist Hobbykonditorin, aber bei deren Pralinen übt sie jetzt Zurückhaltung. Das “jetzt” ist verräterrisch. Früher konnte sie nciht aufhören, bevor die Schachtel leer war, oder sie hat einen Anstandsrest gelassen. Das kennen wir doch…

Die Diabetes wird bestimmte Benimm-Regeln mit sich bringen: “Hau Dir nicht den Bauch voll, sei maßvoll, übe beim Zucker Verzicht, beweg’ Dich”. Oder der Arzt stellt sie bloß optimal ein, und – wie auch immer.

Nur ein Stüch – das ist schon Portionsdiät-konform: Einmal “sweet” ist hier ja ausdrücklich erlaubt.

 

 

 

 

 

 

 

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