fressanfall-140

Einmal in der Woche gehen mir die Gäule durch…

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Frage:

Seit Juni diesen Jahres will ich ernsthaft, aber stressfrei abnehmen. Aber ich mache mir immer wieder selbst Stress: Eine Weile geht es ganz gut, dann passiert irgendein Blödsinn wie gestern – da hab’ ich mir eine Kilopackung Hähnchenschenkel im Sonderangebot gekauft, gewürzt, gebacken, und dann drei Stück gegessen, statt nur einem; eigentlich wollte ich drei für den Rest der Woche aufheben.

Auch bei Erdnüssen und Knabbergebäck, Kuchen und Pizza, Milch und Orangensaft habe ich die Beherrschung verloren – komme mir irgendwie ratlos vor, und beim Abnehmen ist so eine Aktion auch immer ein Rückschlag, und der ist mit Stress verbunden.

LG

Julia

 

Antwort:

Hi, Julia, da gibt es einen älteren Artikel über “den Fressanfall”, der, so zu lesen in einem Forum,
“… spricht aus der Seele, hat nur leider keine Lösung.”
Vieleicht finden wir eine Lösung…

Zudem ist Dein Fall mit “Problem Fressanfall” vielleicht auch falsch bezeichnet, das müsstest Du dann ergänzen.

Mit der Analyse der Funktion des Fressanfalls ist ja auch nur ein Anfang gemacht. Wozu ist der Fressanfall gut?

Schlingen ist Gier – viel Essen ist meist (wenn es nicht das “Genussessen” oder “hedonistisches Vielessen” ist – aber Genuss kann auch verfeinert werden, ist eigentlich maßvoller) das Verdecken von irgendwelchen Problemen oder Konflikten, psychischen Mangelzuständen,  zudem ein Teufelskreis, weil, was einmal zuviel (und über den Hunger hinaus?) gegessen wurde, im Prozess des Abnehmens dann wieder “weggehungert” werden soll: Der pure Stress, und wer verursacht diesen Stress?

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält in derber Liebeslust
sich an die Welt mit klammernden Organen;
die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
zu den Gefilden hoher Ahnen.
Goethe, Faust 1, Vor dem Tor. (Faust)

Für unsere Zwecke brauchen wir eigentlich nur die ersten zwei Zeilen, die besagen, dass wir schon recht widersprüchlich in uns sein können, etwas schizophrenes haben können, aber durch diese Spaltung können wir immerhin Selbstgespräche führen, gute Selbstgespräche im besten Fall.

So gibt es auch Bestseller über den “inneren Schweinehund”, allerdings auch die eigentlich ohne wirkliche Lösung, aber mit viel, sehr viel Druckerschwärze auf dem Papier. Da soll man das Hundchen verstehen, mit Namen versehen, zähmen – ich könnte das nicht, weil ich mir dabei zu schizophren vorkäme.

Die Psychoanalyse spricht selten von einer inneren Instanz, die krankmachend wirkt, herabsetzend, zu Selbstschädigungen führt und schwer zu fassen ist. In guter Verfassung sind wir, obwohl vom jeweiligen “malignen Introjekt” befallen, in der Lage, seinen Einflüsterungen zu widerstehen – oder mit therapeutischer Hilfe in der Lage, die Auseinandersetzung zu führen.

Wer planlos einkaufen geht, hat den schädigenden Einflüssen schon ein Einfallstor geöffnet, und dann kommt das Sonderangebot wie gerufen…

Ich habe mich in letzter Zeit mit dem Wesen des Appetits beschäftigt – worauf wir  Appetit haben, ist familiär geprägt, aber bei herzhaft, fettig, knusprig, der Geschmacksrichtung Uami und überhaupt, wenn es verführerisch riecht, kann der Appetit zum Selbstläufer werden (besonders, wenn Du so etwas wie eine Hungerphase erlebt hast).

Da gilt es, sich zu verteidigen oder nicht in die Fallen zu tappen – ich denke auch, man erlebt den Fressnanfall nicht so sehr als von innen kommend, sondern als Übergriff von außen, das ist aber vielleicht zweitrangig gegenüber der Tatsache, dass es immer Übergriffe gab und geben wird – es kommt nur auf die richtigen Maßnahmen an. Immerhin müssen wir nicht, wie einst die Chinesen, eine riesige Mauer bauen – so groß ist unser “Reich” ja auch nich, Schutz braucht es aber auch.

Wo es eine familiäre Disposition oder Tradition zu und des Übergewicht(s) gibt, ist es in Ordnung, sich das Ausscheren zu erlauben, auch wenn die dicke Tante immer meint :”Ei Kind, hast Du jetzt nicht langsam schon zu viel abgenommen?”

Das ist die Haltung, immer im gleichen, unzeitgemäßen Trott zu schleichen, sich aber nicht wirklich für den Anderen zu interessieren. So ähnlich wie das maligne Introjekt – das muss ja auch irgendwoher kommen, aber besser wäre es, solche Spekulationen gar nicht öffentlich zu machen.

Ansonsten hätte ich noch den Tipp, Dich an den Artikel  über die indirekten Wirkungen der Ballaststoffe zu halten – der soll zwar noch ergänzt werden, liefert aber bereits wichtige Hinweise. Deinen Appetit wirst Du dennoch mäßigen müssen, auch durch flankierende Maßnahmen.

Nachtrag:
Man kann auch sagen:

If you lapse from your eating plan, don’t beat yourself up. Convince yourself that lapses happen and that every day is a fresh opportunity to start over again!

Nachtrag 2:

Tipps, Fressattacken zu mäßigen, hat Dailymaybe für Euch. Und jetzt noch einer von mir:

 

 

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7 Kommentare

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  2. Wenn ich mich davon überzeuge, dass Rückfälle vorkommen, hören sie auch nicht auf, deshalb finde ich, das, was Du hier bietest, ist auch keine Lösung!

    • Wenn ich weiß, dass Rückfälle vorkommen, brauche ich mich deshalb auch nicht als Sünder oder Versager empfinden, sonder weiß, dass eine gewisse “Gesetzmäßigkeit” dahintersteckt, quasi ein “Wenn – Dann”, also eine Regelhaftigkeit, womit schon etwas anzufangen ist – indem ich neue Regeln einführe.
      Ich hatte zum Beispiel die Situation des Einkaufens genannt – wenn ich absolut hungrig einkaufen gehe, kann es eher passieren, dass ich gewissen Kaufanzeizen nicht widerstehe, als mit einer gewissen Sättigung.
      Wenn ich längere Zeit regelmäßig rohes Sauerkraut gegessen habe, ist mein “Präventionsniveau” um vielleicht 25% erhöht – das ist doch auch ein gewisser Schutz.
      Und natürlich gibt es noch weitere “Maßnahmen” im pspychosozialen Bereich – wir können uns damit noch genauer befassen. Oder mit dem, was gemeinhin mit “Psychohygiene” bezeichnet wird.

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  5. Zu Deinem “Ich werde alt”: Das will ich hoffen – mögest Du bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen.
    Womit der Energieschwund zu tun hat – weiß ich ja nicht.
    Frustrationen beim Abnehmen können sich aber auch negativ auswirken – das hört dann auf, wenn Du wieder auf dem richtigen Kurs bist.
    Sauergemüse mag es im Reformhaus geben, das kann ich gerne recherchieren, oder eben selbst machen – ist doch einfach!

    Der schwache Trost sollte besser sein als kein Trost, Rückschläge als unvermeidbar zu verstehen heißt auch, weniger Schuldgefühle zu entwickeln, und heißt trotzdem an sich selbst zu glauben.

  6. Danke für diese Antwort. Sauergemüse und Ballaststoffe – das klingt logisch, und das möchte ich auch mal probieren; allerdings sehe ich nirgends, dass es “lebendiges” Sauergemüse am Markt gäbe.
    Aber ich fühle mich ohnehin nicht allzu energiegeladen in letzter Zeit, schaffe es nach Feierabend eher aufs Sofa, als in die Joggingschuhe – Frau wird älter, ich werde alr.

    Ob der innere Schweinehund bei mir eine Rolle spielt, und welche Rolle mir “immer” zugedacht war, kann ich jetzt gerade nicht beantworten.

    Da hast Du so nett die Ergänzung mit dem Lapsus angehängt, aber froh macht mich dieser schwache Trost auch nicht wirklich. LG Julia

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