Wenn “der Hunger entgleist”, das Essen kein Ende findet, der Magen wie ein Fass ohne Boden wirkt und das arme Binge-eating Subjekt sich selbst nicht mehr kennt: Dann ist der Fressanfall in vollem Gange, zeigt die Waage Höchstwerte, schweigt die Ernährungsberaterin betreten, weil, wie “das” ist, sagt ihr ja niemand, SIE hat “sowas” schließlich bestimmt nicht. Die Vertreter der Adipositas-Hilfsnetze zucken mit den Schultern oder wetzen die Skalpelle, “Frisst wie ein Schwein” ist ein unschönes Urteil, aber es ist nicht zu leugnen, dass hier auch verurteilt wird.
Es könnte ja sein, dass der unstillbare Hunger sich auf alteingeschliffenen Bahnen eingeschlichen hat, die Dämme brechen lässt, und sich sturmflutartig weite Gebiete erobert, bis dann endlich mal “Ruhe ist”, die Wogen sich gelegt haben; zurück bleibt bei dieser Überflutung nur Ballast, überflüssiges Gewicht, Fett, um genau zu sein.
Gestern hatte ich einen Artikel gepostet, in dem es um den “Hunger nach Anerkennung“ ging, also ein Problem, von dem ich auch nicht gänzlich frei bin, und merkwürdigerweise hat sich das während des Schreibens angefühlt wie ein vom Magen ausgehendes Hungergefühl, bei dem es aber kein adäquates “satt” gab.
Am Vortag hatte ich einen Koch-Wettbewerb im Fernsehen geschaut, und der Gedanke, dass die sich alle nicht nur deshalb abmühen, damit es was zum Essen gibt, sondern weil sie für das, was sie machen, anerkannt werden wollen, hat mich auch nicht erheitern können:
“Ich lese Kochbücher, wie Andere Krimis lesen”
Das meinte die älteste Teilnehmerin, bei der es paniertes XXL-Schnitzel, mit einem Spiegelei verfeinert, gab. Dem Fernsehbild, und der Lektüre der Laienköchin gemäß, beschäftigen wir uns dann doch recht rege mit der “Materie Essen”. Genussbetont und dauernd.
Die Lektion der Kochshow: Einer von Vieren wird ausgesiebt. “Die letzten beißen die Hunde” – mich würden sie bei so einer Veranstaltung gnadenlos durchfallen lassen, wahrscheinlich erst gar nicht teilnehmen lassen – fementiertes Gemüse in einer Kochshow – das geht vielleicht in Korea, aber hier doch nicht!
Was solls – da (hier) wird
“”gefressen”, was das Zeug hält. … Solche Sendungen tragen nicht dazu bei, die mit unseren Ernährungsgewohnheiten verknüpften Probleme, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Art, zu lösen.”
Sie tragen auch nur für wenige Sieger dazu bei, den Hunger nach Anerkennung zu stillen – Der frühe Fernsehkoch oder gar Zeitungsgourmet (Siebeck…) hatte noch eine ansehnliche Haltbarkeitsspanne, die heute verheizten Hobbyköche werden ständig getauscht – dafür wird schon beim “Frühstücksfernsehen” übers Kochen gefachsimpelt.
Aber schon der der “Lehrplan” ist mangelhaft, wie der Stundenplan: Nirgends wird öffentlich-rechtlich mal ein Sauerkraut hergestellt, davon, dass man mal zeigt, wie es in der Sauerkraut-Fabrik hergeht, abgesehen.
Es ist schon absurd, wie viel Zeit die Zuschauer zum zuschauen haben, und wie wenig Lust, Lebensmittel zu veredeln oder zu konservieren. Also haben wir ständig Bilder vom Essen vor Augen, wenn nicht auf der Netzhaut, dann auf der “geistigen Leinwand”. Das müsste eigentlich für einen ständigen Speichelfluss sorgen, für einen Marathon-Appetit – “Appetit kann man lernen und trainieren”, und zahllose Werbebotschaften sorgen dafür, dass wir immer Hunger haben!
Krimineller Hunger nach Anerkennung
1975 stand ein Kriminalbeamter, das Oberhaupt im Bund der Kriminalbeamten, vor Gericht, weil man annahm, er hätte als “Doppelagent” seine Behörde ausgespäht. Die Diagnose des Berichtserstatters: Erhöhtes Bedürfnis nach Anerkennung.
“… bei der Polizei, bei der er 1952 eintrat, kam Rolf G. nicht voran, Das Abitur, das er mitbrachte, half ihm nicht. Er ist nicht mehr als Kriminaloberkommissar geworden, und das erst spät. Karriere machte nur sein Hunger nach Anerkennung — ein Hunger, der auf die fatalste Weise gestillt wurde, als man ihn 1972 zum Vorsitzenden des 1968 gegründeten BDK wählte.
Nun war er wer. Er war an Konferenzen beteiligt, er gab Erklärungen vor der Presse ab, die Mächtigen sprachen mit ihm, er fuhr Ski mit dem BKA-Präsidenten Herold. Er hatte eine Position erobert, die unerträglich war -weil er sie nicht verlieren durfte, wollte er nicht wieder in das abstürzen, was er als das Nichts empfand. Er mußte Erfolg haben. Er geriet immer tiefer in den Selbstbetrug … .”
Wenn eine Bloggerin zwei Kilo abnimmt, sich ein paar Requisiten besorgt, ein Foto ihrer Wespentaille in einer Hose, in die sie 2 mal hineinpasst, postet und behauptet, sie hätte jetzt 15 Kilos abgenommen und wolle uns nun glücklich machen, indem sie uns erzählt, mit welcher Willensstärke, aber ohne jeglichen Hunger Frau so etwas macht, interessiert das keine Staatsanwaltschaft und keine Ethikkommission: Da müssen die LeserInnen schon selbst darauf achten, dem Gebotenen nicht auf den Leim zu gehen – aber all dieser Kleister versaut den Ruf der ganzen Zunft.
Ganz wichtig: Keine Verbote!
Ja, das ist alles erlaubt, wenn auch noch längst nicht überall jeder Gedanke geäußert werden soll, ist das Verbreiten von Erfolgsrezepten, und seien sie noch so singulär oder gehochstapelt, offensichtlich erwünscht, wobei gleichzeitig gilt:
“Bloß nichts verbieten beim Abnehmen, sonst wird der Heißhunger übergroß”. Das ist ein uraltes Dogma der Deutschen Ernährungspsychologie, denn wohin Verbote führen – das hatten wir am Anfang des Artikel, und einem Artikel der Thüringer Allgemeinen entnehmen wir:
Wissenschaftler der Uni Jena forscht im Bereich gesunder Ernährung. Er spricht keine Verbote aus, mahnt aber, bei Fetten und Zucker auf das Maß zu achten.
Und, da vergorener Zucker immer noch ein “Kind des Zuckers” ist, auch auf die Maß achten, bitteschön!
Im Interview mit Prof. Lorkowski, der mit der Biochemie der Ernährung befasst ist, taucht noch ein “Kompetenzcluster aus Ernährungswissenschaftlern, Biomedizinern und Herzspezialisten” auf und ein edler Anspruch:
Vor allem traditionelle Lebensmittel mit veränderten Rezepturen sollen entwickelt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise der Anteil gesättigter Fettsäuren zugunsten von pflanzlichen Proteinen und Ballaststoffen, aber auch ungesättigten Fettsäuern verringert wird.
Stefan Lorkowski koordiniert den Kompetenzcluster, der auch
“die Erhöhung des Vitamin-D-Gehalts sowie die Reduktion von Salz und Zucker in verschiedenen Lebensmitteln anstrebt. … ein Joghurt, der… mit lebenswichtigen langkettigen Omega-3-Fettsäuren angereichert ist, sei bereits auf dem Markt.”
Und was ist mit dem Samstags-Eintopf?
Alte Traditionen wieder neu zu beleben, aufzugreifen, sanft zu reformieren kann ja sinnvoll sein. Dafür muss man kein Fischöl in den Yoghurt mixen, sondern kann beispielsweise so etwas uriges wie “Bohnen mit Speck” neu interpretieren.
Die “bösen” Tierischen Fette um 90 % kürzen, und für den Geschmack zu unorthodoxen Mitteln greifen. Das erklärt sich dann in einem Rezept-Artikel,
“Bohnen-Tomaten-Kartoffeleintopf mit Dijon-Senfsauce, aromatisiert mit Meerettich von Deutscher Scholle”.
Wobei nicht die Scholle am Meeresgrund gemeint ist, sondern der Acker, auf dem der Meerettich wächst. Im Bio-Reaktor – den stellt man hin, wo Platz ist, vorzugsweise auf einer Industrie-Brache – könnte man auch das Omega-Öl gewinnen, nebenher regionale Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung betreiben – warum nicht seitens der Molkereien? “Herzgut-Molkerei” hört sich ja nach “Etwas mit Perspektive” an…
Preventing cravings
Wir können mal diskutieren, ob, was die US-Psychologen vorschlagen, um (über-) starken (Ess-) Gelüsten vorzubeugen, tauglich ist; hier geht man eher auf Reize, die von der Umgebung ausgehen (und deren Vermeidung), ein.
Also solche Reize, die “Lust auf mehr” machen, visuelle Reize, die das Verlangen auslösen sollen, einen bestimmten Geschmack jetzt auch auf der Zunge zu verspüren. Zum Beispiel ein
Reinstes Heidelbeereis mit konzentriertem, gefrorenem Ziegen-Rahm-Yoghurt
Wenn Ihr eine normale Körperreaktion habt und Lust auf ein – jetzt kommt das Lob der außerordentlich wohlschmeckenden Eis-Kreation – sensationelles Geschmacks-Erlebnis, könnte nach Öffnen dieser Datei die sofortige Mobilisierung Eurer Speicheldrüsen eintreten – probiert es einfach mal aus!
Wenn die Eis-Kreation Euch gefällt, seht deren Betrachtung einfach als eine Übung in “Bedürfnisaufschub” oder auch in Geduld, Selbstdisziplin und Willensstärke – bei Fragen hierzu lest den entsprechenden Artikel im “Kleinen Handbuch zum Abnehmen”.
Und: Danke für Eure Aufmerksamkeit!