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Eingeprägt: Demokratie in der Tasse – oder Autokratismus?

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“Die  Zukunft der Bank wird heute gesichert – Zukunftsfähig heißt heute: Noch in 200 Jahren ein stabiles Haus mit gesunden Erträgen und moderatem Wachstum darstellen, auf der Grundlage zeitloser ethischer Werte, im Sinne nachhaltiger Entwicklung. …”

Annelie, die Betriebs- und Unternehmenssoziologin mit besonderem Auftrag, hatte schöne Ostern verbracht, in verregneten Londoner Parks zusammen mit Pat Shilling, der Nachhaltigkeitsreferentin der Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB), die wegen des Brexit in Frankfurt eine Filiale in einem kleinen, feinen Bankenhochhaus eröffnen wird, Ostereier gesucht
und im zentral gelegenen “businesswomen’s club” edlen schottischen Whiskey verkostet, der im freien Handel nicht erhältlich ist. Annelie war noch voller Begeisterung für den britischen Lebensstil:
“Wir hatten echt viel Spaß, Pat ist eine unglaublich vielseitige Frau! Pat hat nicht nur – ganz verspielt – Ostereier versteckt – sie hatte auch eine Drohne dabei – leider war die Kamera auf die falsche Auflösung eingestellt.
Im Club der Geschäftsfrauen war sie ganz die Lady, verbindlich-distinguiert. Diskret und zurückhaltend, dabei recht dienstbeflissen war unser “Personal Butler” (Männer haben im Club nur Zutritt, wenn sie zum Service zählen) – James aktiver Wortschatz bestand hauptsächlich aus drei oder vier Wörtern: “Yes, Miss Pat” und “Yes, Miss Annelie”. Das war nicht weiter störend fürs  Arbeitsgespräch, in dem es um die eingangs zitierten ethischen Grundlagen unseres Geschäfts ging.”
Ute, die sich ja vorgeblich qualifizieren sollte, wollte sich nun offensichtlich als bereits “voll qualifiziert” darstellen:
“Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass “Ethical Eating” momentan in den USA ein Trend zu sein scheint, der langsam, aber sicher Fahrt aufnimmt, als Teil der Bewegung für “real food”, wobei es darum geht: “To Eat Fewer Animals“”.
Annelie wollte ein bisschen mehr über “ethische Ernährung” wissen – das nahm ich zum Anlass, mal wieder einen veganen Brotaufstrich vorzustellen -
Sesm-Nüsse-Yoghurt; vielleicht besonders gesund, gesunde Fettsäuren?
“… und im Übrigen ist es doch hinlänglich bekannt, dass Tiere den Menschen die Nahrung wegfressen – wenn ein Schwein sechs Kilo Kartoffeln fressen muss, um ein Kilo Schweinefleisch zuzulegen, sind das schon 5 Kilo Nahrung weniger, die den Menschen, die anderswo auf der Welt -
hier ein Bild aus einem sudanesischen Flüchtlingslager – zur Verfügung stehen, und alle fünf Sekunden stirbt ein Kind.
Fürsorglich wie immer predigt unsere Politik “Wir müssen die Verhältnisse in den Herkunftsländer verbessern”, nur – es muss Hexen- oder Teufelswerk sein – bewirken diese magischen Worte, dass nicht die Entwicklungshilfe verbessert wird,  sondern der “Wehretat” erhöht wird – wessen müssen wir uns denn erwehren?”
Woher auch immer Annelie das Originalzitat kannte – sie hatte es sogar dabei:
“”Wir müssen die Lebensbedingungen vor Ort verbessern und Perspektiven schaffen, wenn wir die Ursachen für Flucht nachhaltig bekämpfen”
Das war der Genosse Außenminister, der, was das Twittern betrifft, kein allzu glückliches Händchen hat – er übt vielleicht noch:
Zum türkischen Referendum hat er geäußert, das einzig tröstliche sei, dass der Wahlkampf vorbei ist (und Ruhe einkehren kann?) – ist dann aber regelrecht von “Gegnern” verbal gesteinigt worden: Nee, Wahlkampf sei das gar nicht gewesen, weil die “Nein-Fraktion” behindert wurde, die Anfechtungen des Referendums würden noch für Unruhe sorgen;
zur Deutschen Politik, jetzt einen kühlen Kopf behalten zu wollen, hieß es:
“Ihr könnt ja einen kühlen Kopf bewahren. Für viele Inhaftierte in der Türkei wird es wohl bald nur noch ein Kopf ab geben.”
Ute fand “den ganzen Erdogan-Kram” (“… schließlich gibt es auch noch andere Länder außer der Türkei!”) nur noch nervig, und fragte sich, wie der Außenminister sich das mit der deutschen Hilfe bei Problemen in den Ursprungsländern vorstellt:
“Ich hab’ mal einfach nach “Landwirtschaft in der Savanne” gegoogelt und in einem Artikel über Mali dieses Foto [Ferdinand Reus from Arnhem, Holland - The village of Telly; CC BY-SA 2.0] gefunden:
- und wenn alles mit rechten Dingen zuginge, sollte das größte Gebäude im Dorf ein Schule sein, aber ich fürchte, es ist eine Moschee.

Im Wikipedia-Artikel zu Mali steht:
“… der Zugang vom Bildungssystem ist aus kulturellen und finanziellen Gründen ungleich verteilt: Mädchen haben eine viel niedrigere Chance auf Bildung als Jungen, die Landbevölkerung deutlich geringere Möglichkeiten als die Stadtbevölkerung. Heute sind 74 Prozent aller mindestens 15 Jahre alten Personen Analphabeten (auch durch den früher geringeren Anteil des Schulbesuchs).[105] Außerhalb des formellen Bildungssystems arbeiten Koranschulen, wo die Kinder ausschließlich in arabischer Sprache und Koranversen unterwiesen werden, und wo sie sich ihren Lebensunterhalt selbst durch Betteln erwerben müssen.[106] …”
°
Die haben 35 Stammessprachen, Amtssprache ist französisch – und bei der Analphabetenquote ist doch wohl klar, wo man ansetzen muss, auch, um diesen “Koranschulismus” entbehrlich zu machen.”
°
Annelie war der Auffassung, dass die Lehmbauweise ein gutes Beispiel für nachhaltigen Lebgensstil ist, weil regionale Ressourcen energiesparend und wiederverwertbar verwendet werden, fragte sich aber, wo denn da die Landwirtschaft in Erscheinung trete – das brachte mich auf die Idee, dass die Bäume ja immerhin ein Signal für von tiefen Wurzeln erreichbares Wasser sind und Moringa mal ein richtiger Wirtschaftsfaktor gewesen ist;
“als grüne Smoothies noch in Mode waren, haben Manche nicht nur Spinat, Gurke und Brennessel hineingemixt, sondern auch Moringa probiert. Allerdings hatte der Begriff “Superfoods” mehr den Verstand benebelt, als eine vernünftige Betrachtung ermöglicht.
Internationals Solidarität – das wäre, wenn Oetker & Co Moringa aus fairem Handel in ihren Rezepturen einbauen und Gabriel, Horfreiter und Wagenknecht auf dem jeweils nächsten Parteitag ein paar Säcke von dem Wunderbaum-Laub-Staub an die Delegierten verteilen; die Forderung, dass die Bundeswehr mit Moringa-Öl ihre Panzerketten schmiert, will ich ja gar nicht aufstellen, dafür ist das fürher von Uhrmachern genutzte Speiseöl auch viel zu schade.
Es ist sinnlos, dieses Mantra vom “Wandel durch Handeln” herunterzubeten, wenn wir den Malinesiern nichts abkaufen!”
Annelie fand es an der Zeit, die Politik beim eigenen Wort zu nehmen, war der Meinung, dass ein Moringa-Investment sich viel versprechend anhört – “das ist vegan und ökokorrekt”.
Tierzucht, Fleischerzeugung wären vielleicht in Mali schlechter aufgehoben – “… obwohl – Staußenschinken* könnte noch ein unverderblicher Exportartikel sein, den man mit einem Lastensegler in die Europäische Gemeinschaft exportieren könnte…” und, um die Wertschöpfungskette zu schließen, könne Gabriel ja mal ein paar mobile Käsereien sponsorn;
“Es ist doch nur schwer vermittelbar, dass die afrikanischen Eliten Frau Antjes “Käse aus Holland”, “Flugkäse” also, konsumieren, während wir Magenschmerzen wegen Flugmangos und ihrem ungünstigen ökologischen Fußabdruck bekommen.”
“Sicher…”, ergänzte ich,
“… ist da die selbstfliegende Flugente günstiger, braucht kein Kerosin, hat aber einen hohen  Wasserbedarf. Flächennäßig ist allerdings der Enten-Fußabdruck, wegen der Schwimmhäute, relativ groß.”

Wie sich jetzt herausstellte, ist Ute Mitglied beim Naturschutzbund, hat mal an einem Projekt “Mit der Laufente die Nacktschnecken im Zaum halten” teilgenommen; später hat sich ihr Interesse mehr den Gänsen zugewandt, besonders der gemeinen Graugans, denn “… das sind faszinierende Tiere.” Was sie so faszinierend an Gänsen findet, hat sie auch erklärt:

 

Alles nur geprägt…

“Immerhin haben die Gänse uns tiefe Einblicke in unsere Motivationen eröffnet, seit wir sie in der Verhaltensbiologie untersucht haben.

Das Graugansküken folgt dem ersten sich bewegenden  Objekt, das es nach dem Schlüpfen erblickt, nach, als sei es seine Mutter. Das kann ein Besen, ein Kissen oder auch ein Mensch sein – im Normalfal allerdings die Mutter-Gans. Das ist also angeboren und erworben. Angeboren der Befehl: “Folge dem ersten sich bewegenden Objekt, das Du wahrnimmst.” Erworben das Bild des Objekts, das ja in der Schale noch nicht feststeht.

Das Gänseküken ist wie eine Münze: Zuerst ein “Rohling”, dann wird der in einer Presse geformt, “geprägt”; und wir sprechen von “Prägung”.

Ihr versteht, was das bedeutet? Vorlieben werden von der Umwelt festgelegt, weil die Biologie das so “will” – und das gilt für uns Menschen wahrscheinlich auch: Keine freie Wahl der Präferenzen, aber Festlegung durch das frühe Milieu, wie und inwiefern auch genau, aber im Prinzip auch als Prägung, nicht als gewollte Auswahl von Optionen.”

Ob es demnach auch bei der Beliebtheit von “Gänsestopfleber” (bei der es sich übrigens meist um umbenannte Entenleber handelt) eine frühkindliche Prägung gibt, fragte nun Annelie in die Runde, mal wieder mit einer gehörigen Portion Über-Information, denn den von ihr benannten Etikettenschwindel jetzt auch noch zu diskutieren, hätte unsere Runde, unsere Mission doch überfordert, jetzt, wo es meinem Gefühl nach eigentlich wieder mal “Tea-Time” wurde…

Rezeptvorschlag: Pak-choi, Hühnchen, aromatisierte Nudeln und nussige Sauce

Zur Herkunft geschmacklicher Vorlieben konnte ich nur anmerken, dass die großenteils im Dunklen liegen:

“Manchmal wird auch vorgeburtliches Lernen angenommen – von der Süße des Fruchtwassers generell bis zu Geschmackseindrücken weitergehender Art, denen der Fötus ausgesetzt ist.  Auch die Wahrnehmung von Stimmmelodien, unterschiedlichen Sprachen ist belegt – Säuglinge kommen so mit einer ausgeprägten Vorliebe für die Muttersprache zur Welt – die ist aber nicht in den Genen festgelegt – das wäre viel zu viel Code in der DNS, die fürs Wichtigste gebraucht wird.

Ob nun der Geschmack von Geflügel mit einer vor- oder nachgeburtlichen Präferenz verknüpft ist, oder gar mit einem Jagdinstinkt zusammenhängt (auch Eier hat die Menschheit vermutlich schon immer gesammelt, oder geraubt), kann ich auch nicht entscheiden.
Um den Gedanken der Nachhaltigkeit wider aufzugreifen: Mit ein bisschen Optimierung und Rezeptentwicklung kann man den Fleischbedarf reduzieren und immer noch ein Gericht servieren, das richtig gut schmeckt…”

Annelie meinte, mit der wissenschaftlichen Erforschung dieser Zusammenhänge liege leider so manches im Argen – die Budgetkürzungen des amerikanischen Präsidenten könnten andererseits vielleicht bewirken, dass Wissenschaft sich mehr Gehör verschafft:  Dieser “March for Science” sei wahrscheinlich erst der Anfang.

 

“Söz var insanı yola getirir, söz var insanı yoldan çıkartır.”

Ute hatte unvermittelt begonnen, Türkisch zu sprechen, beließ das aber bei dem einem Satz, erklärte:

“Bei aller Sozial-, Erziehungs- und Finanzwissenschaft ist das zentrale Element neben der Erkenntnisse doch deren Weitervermittlung, möchte ich sagen, und dieses türkische Sprichwort scheint dazu zu passen:

  • “Worte gibt es, die einen Menschen auf den Weg bringen. Worte gibt es, die einen Menschen vom Weg abbringen.”

Es kommt demnach darauf an, die richtigen Worte zu finden – und die richtigen, nicht die nichtigen Informationen zu verbreiten – sich zu entscheiden: “Autoritarismus oder Demokratie?”, gegebenenfalls diese Idee mit der  Graswurzelbewegung kreativ zu interpretieren…”

Annelie war es – im Moment jedenfalls -  egal, ob Ute sich in einer Graswurzel- oder Baumwipfelbewegung verorten wollte, fragte, was wir stattdessen von einer gepflegten Tasse Tee halten, führte so einen einstimmigen Beschluss herbei, in dessen Konsequenz ich derjenige war, der zunächst das Wasser aufsetzte und dann für die Einhaltung der Ziehzeit des Lebenselexiers sorgte.

 

Liebe LeserInnen,

mit Annelie Schmidtchens Entwürfen zu Gesellschaft und Leiblichkeit schlagen wir ein völlig neues Kapitel der Diät-Unterhaltung auf und  begründen

Eine neue Literaturgattung:

Kitchen-Fiction mit A. Schmidtchen

Das Essen ist die Religion des kleinen Mannes, der Kitt der Gesellschaft und das Agens, das Leib und Seele zusammenhält, auch der Brotaufstrich, besonders der hausgemachte,  hat diese Funktion.

Die Kantine, als Schmelztiegel der arbeitenden Bevölkerung soll künftig auch  Super-Rezepte zum Abnehmen anbieten – deshalb gibt es hier garnierte Geschichten, die sich um Lebensmittelwahrheit und -Aufklärung ranken, unter dem Banner des Selbstbestimmungsrechts auf dem eigenen Teller.

Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge  stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, aber das Beste ist: Die Artikelserie wird fortgesetzt!

 

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Gemeinfreies Artikelbild “Shilling” Photograph: Gabriel C. Lungauer (19Juni1979 at de.wikipedia)

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