Kürzlich war ich wieder im Qi-Gong-Kurs. Eine der Übungen, die meist im Stehen, in einem “festen Stand”, dem “Reiterstand” ausgeführt werden, besteht darin, mit den Händen, bei ausgestreckten Armen, in Hüft- oder Bauchhöhe vor dem Körper eine liegende Acht zu “zeichnen”, ein paarmal, dann wechselt die Richtung, nach ein paar Wiederholungen kommt die nächste Übung.
Die folgende Übung kann “die fliegende Wildgans”, “einen Pfeil abschießen” oder “das Qi verteilen” heißen – beispielsweise.
Aber, es geht, explizit oder implizit, darum, alte, verbrauchte Energien abzugeben und neue aufzunehmen und zu sammeln. Es geht um den Energie-Fluss und Balance.
Um “den Flow” geht es bei der Blog-Parade von Cornelia Lütge, und um die Frage, ob “der Fluss des Qi” etwas mit “dem Flow” zu tun hat, geht es mir jetzt.
Definition Flow
Irgendwo hatte ich mal die Ansicht gefunden, “Flow” sei so ähnlich wie eine lange, lange Abfahrt beim Skifahren: Das schöne Erleben, nachdem man sich erst mal den Berg hinaufgeschafft hat.
Prof. Dr. Günter Maier, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie, definiert:
bes. positives emotionales Erleben bei einer Tätigkeit, das dadurch charakterisiert ist, dass eine Person ganz auf ihr Tun konzentriert ist und darin aufgeht, sich selbst dabei vergisst, das Zeitgefühl weitgehend verloren ist („Die Zeit vergeht wie im Flug”). Dieses emotionale Erleben kann sich dann einstellen, wenn die wahrgenommenen Anforderungen der Tätigkeit den Fähigkeiten entsprechen. Der Anreiz bei einer solchen Handlung liegt nicht in erwarteten Handlungskonsequenzen (extrinsische Motivation), sondern in der Ausführung der Handlung selbst (intrinsische Motivation).
Die dazugehörige Graphik allerdings erläutert nicht, sondern verkompliziert…
Qi-Gong, Schreiben und Flow
Dieses “Aufgehen im Tun” kann sich auch beim Qi-Gong einstellen, oder beim Radfahren, Segeln, Schreiben. Ich glaube, viele Autofahrer freuen sich, wenn kein Stau ist, und fühlen, wenn freie Fahrt herrscht, dass der Verkehr fließt und sie “im Fluss” sind. Das ist wohl häufig so, dass man im Flow ist, auch wenn man den Begriff gar nicht nutzt, und sch keinen Gedanken darüber macht, dass man in diesem Zustand ist.
Beim Schreiben habe ich auch schon Wochen für ein paar Seiten gebraucht – und doch hatte es mit “Fließen” zu tun – eben bloß kein freies Fließen, ein behindertes Fließen, ständiges Hinterfragen, kritisieren, nachpolieren – aber manchmal musste ich auch auf Einfälle warten, viele Ideen verwerfen, hier oder da eine Auswahl treffen, Widerstände überwinden, erneut hinschauen: Das hat auch mit “Neuland”, mit “unbekanntem Terrain”, für das es keine oder nur irreführende Landkarten gibt, zu tun, mit Rätseln, chiffrierten Texten, die erst mal gar nicht als solche kenntlich sind, mit Neugier, probieren, puzzeln, dechiffrieren mit mehreren Schlüsseln, und wenn man gegen den Strom schwimmt, ist man manchmal froh, überhaupt voranzukommen.
So etwas macht man, glaube ich, ein- oder zweimal im Leben. Oder ständig
Flow mit Pfeil und Bogen
Ich hatte eingangs eine Qi-Gong Übung namens “einen Pfeil abschießen” genannt – nicht ganz zufällig, denn gestern hatte ich übers Schießen mit Pfeil und Bogen und
“Flow (englisch „Fließen, Rinnen, Strömen“) bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration)” (Wikipedia)
noch etwas gelernt: Man kann auch “systematisch danebenschießen”, es gibt Grundfehler, die das Danebenschießen geradezu programmieren. Wenn auch die Qi-Gong-Pfeile eher virtuelle sind, kommt es auch hier aufs Zielen an!
Was bei der Feuerwaffe Kimme und Korn, ist beim Bogenschießen – hier muss ich passen, oder Nicole fragen, denn sie hat den Vergleich mit dem Bogenschießen sehr schön geschildert, und erklärt, dass “flow” nicht einfach ist, dass das “Treffen” von gewissen Abläufen und auch vom “Ausblenden, Abschalten, inne halten und für mich behalten” abhängen kann.
Wobei das Bogenschießen ja ursprünglich nicht dem Wettbewerb, dem “Scheibenschießen”, sondern der Jagd gedient hat.
“Ziele erreichen” bekommt unter diesem Blickwinkel die Bedeutung von “Beute machen um etwas zu Essen zu haben, für sich oder Andere”, und dieses Bild lässt sich auch in die Welt der Ideen zu übertragen – geistige Nahrung zu “erwerben” und anzubieten, etwa eine etwas andere Sicht auf “Diät” als die Lehre von der gesunden Lebensweise, neben dem, was auf den Teller kommt.
Was diesen “mentalen Zustand völliger Vertiefung” betrifft, ist es ähnlich wie beim Qi-Gong oder bei einer Meditation: Es gilt, anschließend wieder zurück zu kommen, möglichst wacher als zuvor die Welt um sich herum wahrzunehmen.
Liebe Leserin, lieber Leser, wenn “im Flow sein” bedeutet, ganz von etwas beschäftigt zu sein, mit Genuss und Leichtigkeit dabei zu sein – wie geht es Dir mit dieser Möglichkeit?
Pingback: Scheitern, stranden, sichere Häfen | Portionsdiät
27. September 2015 um 11:56 Uhr
Lieber Klaus-Peter!
Habe mich sehr über dein Mitmachen gefreut. Und besonders, deinen Beitrag zu lesen. Die beiden Aussagen “Ausblenden, Innehalten…” und “die Welt anschließend wacher wieder wahrzunehmen” haben mir sehr gefallen. Geteilt habe ich über FB, Twitter und Xing. #spreadthegoodword #mehrflow
Einen sonnigen Sonntag wünscht dir
Cornelia Katinka Lütge
27. September 2015 um 16:50 Uhr
Hallo, Cornelia,
Danke fürs Weiterverbreiten! Der Sonntag – war wirklich ein schöner Herbsttag
LG
Klaus-Peter