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Die Anorexie als übelst gestörte (Körper-) Sebstwahrnehmung, Terror und Suizid

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Eigentlich ist heute nicht der beste Tag für diesen Artikel: Alleine die Meldung in den Medien, dass sieben von acht Attentätern in Paris fanatisch genug waren, das eigene Leben zu opfern – also keine Rücksicht auf die eigene Gesundheit zu nehmen (und auf die feindliche Bevölkerung sowieso nicht) scheint es zu verbieten, weiteruschreiben.

Aber doch: Wer von Anorexie betroffen ist, riskiert mit über die Zeit wachsender Warhrscheinlichkeit das eigene Leben. Das ist eine schwache Parallele – trotzdem frage ich mich, ob die falsche Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht irgendwie verwandte Wurzeln haben. Es könnte ja sein, dass sich da irgendwelche Dämone ihrer Opfer bemächtigt haben, und bestenfalls würde ein Exorzismus helfen. So hätte man jedenfalls in vorwissenschaftlichen Zeiten gedacht, aber die Opfer, die eben krank (“besessen”) sind, können ihr Verhalten nicht so richtig nach den Regeln der Vernunft einrichten – da ist ein Fanatismus, da ist bei den Anorektikerinnen vielleicht etwas anderes, und die Wenigsten werden wohl krank weil sie Pro-Ana-Seiten besuchen, und Wenige werden gesund, weil sie “Leben hat Gewicht” zu ihrem Lebensmotto gemacht haben.

Aus: von-essstorungen-symptomen-und-ursachen-selbsthilfe

Es ließe sich auch argumentieren, dass es ein “freiwilliges Verhungern” schon immer, jedenfalls seit mythischen Zeiten, gegeben hat – es wäre hier nur an die Figur der Echo zu denken, der “Gegenspielerin” des Narziss in der Schluss-Episode seines Mythos und wir können etwas über die Entwicklung dieses Verhungerns lernen – vielleicht.

Wir können auch spekulieren, ob bei diesem signifikant frühen Sterben eine Mutterfigur, die Zweifel an der Lebensfähigkeit des Kindes – so war Narzis’ Mutter – beteiligt war, oder eine “Übermutter” wie, im gleichen Mythos – Hera, die einem zarten Mädel das eigenständige Reden (und damit Denken) verbietet. Aber das ist Spekulation wie die Frage, warum die “radikalen Islamisten” so eine freiheits-feindliche Einstellung zum Leben haben, und wir wollen auch nicht wahr haben und -nehmen, dass es an der Spitze des Eisbergs Mütter gibt, die ihren Kindern gegenüber feindlich eingestellt sind, wie auch die Mütter in der Mitte des Eisbergs, die sich selbst am wichtigsten sind.

Wo uns die Wahrnehmung der Kranken fehlt, sollen die Neurologen ihr Gehrin überprüfen, und sie finden: Die Kranken haben eine kranke Selbst-Wahrnehmung. Nora Burgard-Arp hat dazu einen beeindruckenden Artikel geschrieben, der heute (14.11.2015) eine schöne Auszeichnung bekommen hat. Zitat:

Ich kann nicht alle meine Patienten retten, das muss mir klar sein.

Stephan Zipfel

Stephan Zipfel ist klinischer Therapeut, und das ist nicht einfach – es gibt

Frauen, die sich einfach nicht aus einem Umfeld lösen können, unter dem sie leiden – aus einer Familie voller Konflikte zum Beispiel: „Das sind Fälle, die ich als sehr schmerzhaft empfinde. Es tut schon weh zu sehen, wie meine Patienten dorthin zurückgehen, wo ein Leben ohne Krankheit einfach nicht funktionieren kann.“ Zipfels Stimme wird noch weicher und leiser, wenn er über diese Patienten spricht. „Oft sehe ich auch, wie knapp es tatsächlich wird, und gerate dadurch an meine persönliche Belastungsgrenze.“

Nachdem ich den Artikel gelesen habe (Hinweise auf den Reportagepreis), von hier aus an die, die magersüchtig sind, noch eine Empfehlung: Sucht Euch Rat und Hilfe, bevor die Krankheit “so richtig chronisch” geworden ist.

Es ist nicht einfach. Es kann das Gefühl entstehen, auf Hilfe angewiesen zu sein, sei beschämend. Gute Helfer werden das Gefühl nicht aufkommen lassen. Trotzdem kann das Hilfe-Suchen Schamgefühle mit sich ziehen. Die sind aber nur die eine Seite der Medaille, und: Das geht vorbei.  Doch, es geht ums Leben, wenn es um die Gesundheit geht. Das gilt auch für andere Leiden.

 

Beim Zeus!

Götter und Dämonen

Noch einmal zurück zu den eingangs genannten Dämonen: Was eigentlich als “Pathologie” abgehandelt wird, hat auch seinen religiösen Aspekt – aber die Götter sind von den Menschen erfunden, und wer sagt, Gott hätte ihm eine Aufgabe gestellt, ihn berufen, und das glaubt, ist doch eigentlich in einem Wahn.

Wer als kritischer Theologe predigt, muss sich andere Menschheitsziele ausdenken als das künftige Paradies und darf dabei die Menschenrechte nicht in den Dreck ziehen. Alles andere ist inhuman und abergläubiger Rückfall in die Vorzeit, als Menschenopfer noch die Götter gnädig gestimmt hatten, und Jungfrauen den Drachen zum Fraß serviert wurden.
Substantiell menschenverachtend ist auch der Gedanke, Sebstmord-Attentäter würden mit geringstmöglichem Aufwand (“nur ein Menschenleben”) größtmögliche Wirkung erzielen – das wird aber öffentlich-rechtlich geäußert, und es ist bekannt, dass Friedmann, der das so gesagt hat, ein (ex-?) Kokainist ist. Zu vermuten wäre, dass die betäubende Substanz dem logischen und dem empathischen Denken nicht förderlich ist, aber auf eine merkwürdige Weise das Gefühl der eigenen Grandiosität fördert, in große Wort-Phrasen überführt.
Wenn wir in Betracht ziehen, dass auch der nicht-terroristische, der alltägliche Selbstmord frei von jeder Freiwiligkeit stattfindet, nämlich unter einem inneren Zwang, gelegentlich auch unter dem Glauben, gesellschaftlichen, familiären Ansprüchen nicht zu genügen, oder auch in der Absicht, es “denen” zu zeigen” – oder aus einem Gefühl der Ausweglosigkeit  oder Grandiosität heraus – warum sollten wir dann annehmen, der terroristische Selbstmord sei das Ergebnis rationalen Kalküls?
Auf der anderen (?) Seite gibt es den Selbstmord auf Raten, wie in der Essstörung, das heißt nicht nur der Anorexie, das heißt beim progressiven Unter- und Übergewicht. Echo, der das Gebot der Über-Göttin Hera die Sprache verschlagen hatte, ist verhungert – aber der großmäulige Narziss hat sie auch nicht lange überlebt.

 

 

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