Weil man Essig zum Entkalken braucht, halten ihn viele für “Chemie”, ohne zu wissen, dass er durch die Fermentation von Alkohol entsteht; Salatsauce wird ja auch schon oft als Fertigprodukt gekauft statt selbst angerührt…
Bei der Salatsauce aber ist Geschmack gefragt – und unterschiedlicher Essig hat unterschiedliche Geschmäcker.
Zum Einen wegen der unterschiedlichen Ausgangsprodukte – Rotwein, Weißwein, Branntwein, zum Anderen wegen der unterschielichen Aromatisierung des Essigs – doch dazu kommen wir später.
Ich würde mich freuen, wenn Du mal so eine kleine Flasche Delikatess-Essig geschenkt bekommst oder einen selbst gemachten Delikatess-Essig anderweilig erwerben kannst, besonders, wenn Du den Geschmack magst, also auf den Geschmack kommst, und vielleicht auch noch anfängst, selbst in die gar nicht schwierige “Im-Hause-Manufaktur” einsteigst.
Vielleicht bietet Dir ja auch jemand eine “Essigmutter” an – dann brauchst Du nur noch ein bisschen Alkohol, auf den Du selbst verzichten kannst und willst (das muss nicht viel sein, das kann ein Rest sein, oder ein paar Restchen, die über die Zeit zusammenkommen), und schon kann es losgehen.
Das Wohlfühlklima für Essig-Bakterien
Wir können annehmen, dass Essig-Bakterien gute Schwimmer sind – jedenfalls lassen sie sich gerne treiben – in alkoholischer Flüssigkeit, die aber nicht zu alkoholisch sein soll – zwischen fünf und sieben Volumen-Prozent Alkohol sind nicht schlecht. Sie brauchen noch Sauerstoff und erträgliche Temperaturen; es war auch schon mal irgendwo zu lesen, dass sie Temperaturschwankungen sehr gut vertragen; abgesehen vom Winter könnte man also auch in einem Schuppen Essig produzieren, denn Frostfrei sollte es wohl schon zugehen.
Du müsstest also Wein mit Wasser verdünnen, und dann zur Essigmutter geben.
Dass Du alternativ auch selbst eine Essigmutter züchten könntest, steht auf einem anderen Blatt: Jeder Alkoholrest mit etwa 6% Alkohol wird irgendwann einmal sauer werden – Du gibtst nach und nach mehr (verdünnten) Alkohol hinzu, und wirst dann schon sehen…
Die Essigbakterien schwimmen, wie gesagt, im Alkohol, den sie in Essig verwandeln, herum (Jesus konnte nur Wasser in Wein verwandeln – oder hat er in Wirklichkeit Essig gemacht, und irgendwelche “Propheten” haben die Geschichte umgedichtet?).
Erstaunlicherweise sind es aber sehr gesellige “Tierchen”, die sich gerne zusammenschließen, zusammenheften und gerne eine “gallertartige” Schicht, die oben schwimmt, bilden; dann soll man mal den Essig-Ansatz gut durchschütteln, damit sie nicht das Essig-Weingemisch von der Luft abschirmen.
Mit so einer geballten Ladung Essigsäurebakterien (wenn sie so zusammengeballt sind, nennt man das Phänomen auch “Essigmutter”) kann Deine private Essigproduktion beginnen.
Die Kleinst-Essigmanufaktur – ein Geduldsspiel?
Sicher, von jetzt auf gleich ist Dein gebrauchsfertiger Essig nicht fertig; bei Null musst Du andererseits auch nicht anfangen. Aber spielen wir mal durch, wie Deine Essigproduktion ablaufen könnte…
Zum guten, einfachen Start brauchst Du, wie gesagt, ein Stück Essigmutter – die kannst Du im Internet bestellen, die kann Dir ein bekannter oder befreundeter Essig-”Züchter” (oder sollen wir “Essigbrauer” sagen?) überlassen.
Hier haben wir das “Wesen”, das auch ganz ohne Vater damit zurecht kommt, Alkohol zu vernichten, indem es ihn verwandelt, schon mal in einer Flasche mit weitem Hals und einem halben Liter Fassungsvermögen.
Du kannst nun mit verdünntem Wein weiter auffüllen – so nach und nach, die Mutter wird über die Zeit dicker und kräftiger, und irgendwann wirst Du vielleicht auch einen Teil davon weitergeben wollen. Muss ich noch dazu sagen, dass die Flasche, wie abgebildet, luftdurchlässig verschlossen sein sollte?
Vorfreude: Mit Deinem Essig wirst Du…
… bessere Salatsaucen machen können, und viel mehr Aroma am Salat schmecken. Da gibt es in Wien einen Essigbrauer, der vorschreibt, den Salat nur zu waschen, zu salzen und zu pfeffern – und 10 Minuten “ziehen” zu lassen. Dann wird der Salat mit Essig benetzt (auch gerne sparsam aus einer Sprühflasche, dem Essigsprüher), und zum Schluss mit Öl benetzt.
Das ist mal so rechtes Wiener Essigbrauerlatein: Der Manufaktur-Leiter namens Gegenbauer vertickt seine Edel-Essige und Essigmütter auf dem Marktplatz an Privatkunden, die dann doch wieder den Essig bei ihm einkaufen, weil sie nicht mit dem Essig-selbst-züchten klarkommen, sagt er. Und: Auf 0.2 Grad genau müsse die Temperatur stimmen, und nie dürfe die Essigmutter einen Luftmangel erleiden, weil sie sonst sterbe.
Der Mann kann viel erzählen – eintrocknen lassen sollte man es, das Essigmütterlein, nicht!
So nebenbei wird uns noch gesagt, dass die Edel-Essig-Produktion genug abwirft, um Geschäftsreisen zu den Spitzenköchen der Welt zu ermöglichen, was dann ja wieder auf feinste motiviert, schon mal nach ein paar alten Eichenholzfässern Ausschau zu halten, denn die müssen sein, damit edler Wein zu edlem Essig wird.
Andererseits wird der Gegenbauer-Erfolg nicht reproduzierbar sein, und hier geht es ja auch nicht um Essig für eine kleine Nische (Höchste Gastronomie – die hat außerdem längst schon ihre Hoflieferanten und wartet bestimmt nicht auf uns).
Unsere Ansprüche sind dagegen ausgesprochen minimalistisch, gehen in Richtung “gehobene Mittelklassequalität” und verlangen ein gutes, vielseitiges Produkt, das wir zum Beispiel in der
Senfherstellung
verwenden können:
Auch die Sache mit der der Selbstvermarktung
“Mein Essig ist so geschmacksintensiv, gnä’ Frau, da brauchen Sie nur ein paar Tropferl.”
üben wir schon einmal, während der Essig wächst und gedeiht – das Reifen anfängt – doch davon mehr im nächsten Essig-Artikel…
Liebe(r) LeserIn!
im letzten Artikel hatte ich diese Frage gestellt:
Ist heute der Blogger, was früher der Geschichten- und Märchenerzähler war …?
- und jetzt gerade kommt es mir so vor, als sei das auch so: Geschätzt maximal ein Promille der Bevölkerung “braut” aktiv Essig, die meisten lassen machen.
Dass es Delkatess-Essige gibt, halten die Meisten für ein Gerücht oder für ein Märchen – der Beweis für diese Annahme findet sich manchmal beim Discounter, wenn der im “Sonderangebot” Spezialitäten anbietet, bei denen nach allen Regeln der Kunst getrickst wurde – denn wozu sonst sollte beim Essig, der ja selbst ein Konservierungsmittel ist, noch Konservierungsmittel zugefügt werden müssen?
Insofern ahne ich, dass ich die Überzeugungsarbeit, die (Billig-) Essig-Käufer in “bewusste und begeisterte Essig-Selbstbrauer” verwandeln könnte, besser Anderen überlassen sollte, einem Sisyphos zum Beispiel.
Wie auch immer – reden wir auch nicht von den Aromen und deren Herkunft, es geht, wie gesagt, hier bald weiter, und:
Zum “Essig selbst machen” gibt es mehrere Artikel -
hier der Link zum Inhaltsverzeichnis der Artikelserie
Pingback: Essigsäure – ein unterschätzter Bestandteil der Lebensmittel | Portionsdiät
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