Vielleicht liegt es an “der Mode”, dass “schlank” momentan ein Ideal ist. Modemacher sind manchmal so veranlagt, dass sie knabenhafte Körper lieben, bevorzugen. Erklärt das irgend etwas?
- Kürzlich fragte eine “Kollegin”, ob es nur noch um Schein, um Hülle, um den großen Laufsteg, um “wer ist die Schönste im ganzen Land” gehe, und ob Frauen ihren Selbstwert nur noch aus ihrer Schönheit gewinnen und was wohl sei, wenn man weder schön, noch schlank, noch jung sei.
Vielleicht geht es darum, wie man/frau mit dem Schönheitsideal umgeht. Das Schlankheitsideal “Size Zero” jedenfalls wankt.
Dass Frauen und Männer in gewissem Umfang Schönheitspflege betreiben, ist allerdings nichts Neues, und auch nicht die Frage:
“Wer ist die Schönste im ganzen Land?”. Die gab es schon vor der Niederschrift von Schneewittchen, im Märchen wird sie nur noch thematisiert. Neben der Persönlichkeitsentwicklung ist hier die Schönheitskonkurrenz (Rivalität) das eigentliche Thema.
Relativ neu ist der Einfluss der Medien auf unser Denken und Bewusstsein:
… die Bilder, denen wir ausgeliefert sind: perfekt geformte Körper und makellose Gesichter, denen noch das kleinste Pickelchen wegretuschiert wurde. Wir begegnen ihnen auf Plakatwänden, Magazinen, im Kino. Diesem beständigen Input können wir uns kaum entziehen – und so kommt es zu einer immer stärkeren Diskrepanz zwischen unserem normalen Körper und seiner Idealisierung. (Quelle)
Zum “normalen” Körper gehören inzwischen auch die Marken-klamotten, die ihn bekleiden. Sie signalisieren den Wert des Trägers, der Trägerin, die es damit übernimmt, Werbung für die eine oder andere Marke zu machen. Wir können das “Diktatur des Konsums” oder “Konsumismus” nennen, wir können aufzeigen, dass wir ständig von Werbebotschaften umspült werden und mit Sicherheit annehmen, dass die Werbe-Industrie das viele Geld nicht ausgeben könnte, wenn daraus kein Profit entstünde:
Werbung kommt an und verändert etwas bei ihren Empfängern. Kleidung erfült auch die Funktion, zu schmücken, dient der Schönheit, aber auch dem Image.
Mit der “Warenästhetik” lässt sich viel erklären, aber die Werbemanipulationen erklären natürlich nicht den eigentlichen Kern des Mangels an Selbstbewusstsein, wo dieser vorhanden.
Der Schatten der Vergangenheit
Es gibt uralte Dramen, die über historisches Unglück berichten.
Wir müssten uns eingestehen, dass ähnliche Dramen auch in der Neuzeit geschehen sind: Kaum eine Familie, die nicht unter den Spätfolgen eines Krieges oder schlechter Zeiten litte – oder anders gefragt:
Liegt nicht überall “eine Leiche im Keller?”
Das kann bedeuten,
- dass wir durch die Verhältnisse gezwungen waren, innerhalb der (“beschädigten”) Familie eine unangemessene Rolle zu “spielen”.
- Oder dass wir die falschen Regeln verinnerlicht haben und noch nicht verbessert haben.
- Oder/und dass wir ungünstige Anpassungsmechanismen, zum Beispiel beim Essen und Trinken, (neuerdings auch “Schneiden und Ritzen”) , suchtähnliche Verhaltensmuster benutzen
Nennen wir das, was viel Energie kostet, aber nichts nutzt, “Altlasten”. Da zehrt etwas und hemmt, da gibt es alte Ängste, die Kraft kosten, weil ihre Abwehr Kraft kostet.
Die falsche “Rolle” zu spielen, kann nie zufrieden machen, anders gesagt: Dysfunktionale Objektbeziehungsmuster vermindern die Ich-Energie.
Außerdem werden wir manipuliert und überwacht
Die Werbeindustrie – und wir sollten auch Google, Facebook & Konsorten mitbedenken – umwirbt uns immerhin, und wer umworben ist, kann das Gefühl entwickeln, in einer gewissen Weise wertig zu sein. Wir bekommen sogar ein digitales Profil, sind schließlich in “sozialen Netzwerken” engagiert – wohl auch auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung, werden nebenbei durch die Datenspuren zum “gläsernen Menschen”.
Dabei werden uns ständig verlockende, vergiftete Äpfel angeboten. Das steigert die Spannung, denn auch die Warnung vor “etwas vergiftetem” ist allgegenwärtig.
Das gesunde Selbstwertgefühl braucht aber ein anderes Fundament.
Oft ist das Fundament brüchig, bedarf der Reparatur, oder muss ausgetauscht – oder entlastet – werden. Der Begriff “gesundes Selbstwertgefühl” deutet schon darauf hin, welche Arbeit hier geleistet werden muss: Es geht um die Verbesserung oder Wiederherstelung der Gesundheit, auch der “geistigen Gesundheit”, womit die Art des Denkens, die Wahrnehmung und Interpretation von Selbst und Umwelt gemeint ist.
Schönheit und Ausstrahlung kommen von innen;
Schönheit ist eine Gottesgabe, doch wenige können sich rühmen, schön zu sein!
Dieser Satz (OVID, ARS, III, 104) könnte ein Schlüssel sein: Die Pflege der Schönheit (hier: Die Gesichtspflege) ist in seiner Sicht erst eine Errungenschaft der menschlichen Zivilisation, erst eine humane Gesellschaft lässt den Freiraum für die Pflege von Gesicht und Körper.
Für das beschädigte Selbstwertgefühl erklärt sich mittlerweile der “Markt der Psycho-TherapeutInnen” zuständig.
Auch hier wird geworben, bis sich die Balken biegen; Empathie, Selbsterkenntnis, das Verscheuchen alter Geister, Familienaufstellungen und Halbedelsteine mit besonderen Schwingungen werden angeboten.
Im Sonderangebot, zum Schnäppchenpreis, gibt es auch Erklärungen wie diese:
“Was ein gesunder Lebensstil mit einem gesunden Selbstbewusstsein zu tun hat”
Da heißt es: Zugreifen.
Damit wird
Selbstbehauptung
gegenüber den schädigenden Einflüssen zur Hauptaufgabe.
Worum es geht, sind fundamentale Verbesserungen. Verbesserungen, die man sich anfangs noch gar nicht vorstellen kann. Veränderungen, die mehr Freiheit bedeuten. Der Ausstieg aus uralten Dramen.
Wenn das ungesunde Essverhalten seinen Grund darin hat, dass Du Dich unverstanden fühlst, nicht anerkannt, wahrgenommen (“Keiner kümmert sich um mich”):
Sich in diese quälenden Gefühle zu vertiefen, hilft keinen Deut weiter.
Umschalten auf ein anderes Programm könnte weiter führen:
Was verstehen wir unter “gesunder Lebensweise“?