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Diäten verbieten und Elefanten verscheuchen – Handbuch Abnehmen (10)

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In den USA ist die Gesellschaft ja bekanntlich entwickelter als im alten Europa, dementsprechend sind drei Viertel der Bevölkerung übergewichtig, hier sind es nur zwei Drittel. Wer die Prozentzahlen genauer im Kopf hat, mag das hier in einem Kommentar ergänzen ;-)

Fortgeschrittener ist dort auch die Wissenschaft vom Abnehmen, und die hat bis vor kurzem

  1. Das Fett oder
  2. Die Kohlenhydrate

fürs Übergewicht verantwortlich gemacht. Wer (abnehmen) wollte, sollte auf das Eine oder das Andere verzichten.
Die ideale Methode zum Abnehmen wiederum ist eine Geheimwissenschaft:

Weil ja jeder Mensch unterschiedlich ist, muss sich auch jede(r) ihre/seine eigene Methode ausdenken, weil es ja nicht nur aufs Abnehmen, sondern auch aufs nachhaltig-Schlank-Bleiben nach der Diät ankommt.

 

Nicht geheim sind Abnehm-Methoden, die auf Kalorienrestriktion mittels Rationierung basieren – hier wiederum populär die Weight-Watchers- “Diät”, aber

Diäten funktionieren nicht!

Das sagt zumindest , von der Ihr Euch auch einen ein-Stunden-Vortrag anhören könnt, über den ich an dieser Stelle nichts verrate.


Ihre Weight-watchers-Kritik bezieht sich auf den Umstand, dass Weight-Watchers-TeilnehmerInnen vielleicht unter dem Programm Erfolge erzielen, dass die Erfolge sich ohne Programm wieder verflüchtigen, und die Teilnehmerinnen sich häufig wieder neu einschreiben, also Geld locker machen, für die Teilhabe am “Club”.

Insofern, so ihre “Eingebung”, hätte Oprah Winfrey, die um die 10 Prozent der Weight-Watchers-Aktien erstanden hat, auf das richtige Pferd gesetzt – weil das Zugpferd Weight-Watchers nicht hält, was es verspricht.
Richtig ist, dass der Coup dazu führte, dass die Aktie gut angezogen hat, und den Hochstand auch halten konnte – ob die Kritik in dieser Form gerechtfertigt ist, dürfen wir aber hinterfragen.

 

[Dieser Abschnitt ist zu 51% sartirisch gemeint:]

Jetzt aber: Wer zu Diäten aufruft, muss bestraft werden!

Einmal angenommen, dass Diäten nicht funktionieren – durchweg nicht funktionieren: Dass eine Diät, die nicht funktioniert, schadet, ist immerhin belegt, hier lautet das Stichwort: Diättrauma.
Wäre es dann nicht sinnvoll, schon den Aufruf , sich einer Diät zu unterziehen, unter Strafe zu stellen?
Immerhin ist so ein Diät-Aufruf nach dieser Logik die Aufforderung zu selbstschädigendem Verhalten, und wenn Diätprodukte verkauft werden, ist das Betrug. Warum ist Volksverhetzung strafbar, nicht aber Körperverletzung durch Anstiftung zu Diäten? Es ist ein Skandal, und diese Frage wird uns kein Justizminister und kein Böhmermann, der sonst doch immer für Skandale sorgt oder welche aufdeckt,  verraten.

[Dieser Abschnitt war zu 51% sartirisch gemeint.]

 

Projekt “Durchblick”

Sicherlich wird es zum Repertoire der Weight-Watchers gehören, dass man behauptet, hier gäbe es nachhaltigen Abnehm-Erfolg und eine beträchtliche Zahl von TeilnehmerInnen mit “Gold-Status”.

Auch das kann man genauer untersuchen, und eigene und fremde Erfahrungen heranziehen, die auf das Motto herauslaufen: “Einmal, Diät, immer Diät” oder “Diät-Pause führt zur Gewichtssteigerung”. Dafür gibt es viele, viele Beispiele, wenige für eine sogenannte “Lebensstil-Änderung”, die häufig mit recht drastischen, manchmal auch ganz simplen “neuen Gewohnheiten” wie “gaanz viel Sport oder “gaanz fettarm leben”, “nie wieder Fleisch” und vielem Anderen mehr auf der Bewegungs- und Ernährungsseite des Lebens verbunden sind.

 

Die fragwürdige Diätpause

Vergleichen wir das “Projekt Abnehmen – Schlank-Sein” mit so etwas banalem wie Fensterputzen, wird klar: Das macht man mal, mit Erfolg, aber der Erfolg verflüchtigt sich, und spätestens in enem halben Jahr ist (eigentlich) wieder der Griff zum Fensterleder fällig.

Das heißt aber doch nicht, dass Fensterputzen sinnlos wäre…

Zugegeben, der Vergleich hinkt, und tägliche “Fensterpflege” wird niemand einfordern. “Deshalb” sind Viele ihrem Wunschgewicht gegenüber auch so nachlässig – wo die einen ihre Fenster-Putz-Pause machen, machen die Anderen ihre Diätpause. Oder Beides. Gelegenheit für den Jo-Jo-Effekt, zuzuschlagen, aber kein Grund zum Jammern.

Aber im Bereich “Körperpflege/Hygiene” sind wir täglicher Anwendung wiederum gar nicht abgeneigt. Und vielleicht gibt es genau hier die Parallele:
Tägliche Diät, ohne Wenn und Aber, tägliche, sachkundige Anwendung der “kulinarischen Vernunft”, meinetwegen der kulinarischen Intelligenz, selbst, wenn das schwierig oder kompliziert sein sollte. Wobei “Diät” ja eigentlich noch viel mehr bedeutet als das alleine…

 

Schwierig – kompliziert – komplex

Eine Mahlzeit zubereiten, das kann schwierig sein – aber man kann es lernen, üben, und schließlich kommen wir ganz ohne Fertigsaucen und -Mischungen aus, ernähren uns mit gaanz wenig Zucker und viel Gemüse.

Ein paar ‘Menschen auf den Mars (und zurück?) zu “schießen”, ist unbestritten kompliziert. Aber man kann die Aufgabe in viele Einzelschritte unterteilen, und viele, viele Teams arbeiten zusammen – bei Antrieb, Treibstoffversorgung, Materialauswahl und so weiter. Der Aufwand ist enorm, und ein Erfolg erfordert gute Koordination. Ob das Projekt wirklich sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

Nehmen wir mal an, Abnehmen sei schwierig, dann ist das anschließende “Weitermachen” häufig durchaus kompliziert, aber nicht unmöglich. Aufwändig, nicht frei von Anstrengungen, aber Mühe hatten auch schon die Ägypter mit ihren Pyramiden und die Deutschen mit ihrem Hauptstadtflughafen.
Manchmal ist das Projekt auch eigentlich sinnlos – aber hätten die Schwaben nicht begonnen, ihren Hauptbahnhod zu untertunneln, wären sie jetzt nicht grün-schwarz. Das Komplizierte ist halt auch mal überraschend, und jeder einzelne Mensch ist komplex und nur schwer zu verstehen.

Ob die Aufgabe, das Leben einer ganzen Nation gesünder zu gestalten, kompliziert oder gar komplex wäre?

Komplex wird es jedenfalls, wenn “irrsinnig” viele Faktoren ineinandergreifen, mehr Daten, als vorstellbar (und vorhanden), verarbeitet werden sollen, wie bei einer langfristigen Wettervorhersage mit großer Genauigkeit. Da gibt es keine einfachen Formeln, aber Simulationen sind möglich, Rechenschritte können an andere Rechenzentren ausgelagert werden; Intuition und Erfahrung von Vielen, die sich austauschen und für ein gemeinsames Ziel einsetzen, sind vielleicht beim Wetter nicht gefragt, aber zum Beispiel bei Produktentwicklung, Planung und Verwaltung, bei der Entwicklung innovativer Lebensstile.

 

Diäten funktionieren nicht!

Bei Traci Mann finden wir nur sehr diffuse Hinweise darauf, wie das Abnehmen langfristig gelingen könnte, und bekannt ist auch der Fakt, dass Abgenommen-haben nicht unbedingt bedeutet, dass es auch dabei bleibt.
Der “Fehler” der Weight-watchers-Klientinnen besteht vielleicht darin, an dem oder jenem Punkt auszusteigen – aber sicherlich ist es in gewisser Weise lächerlich, sich in einer Gruppe nur ums Kalorien-Sparen auszutauschen – wer braucht das und will dafür langfristig viel Zeit und Energie investieren?

Nur – die Gruppe als unterstützender Faktor ist überhaupt nicht lächerlich.

Nun ist es aber ein Denkfehler, nur, weil bei den Weight-Watchers langfristig ein Scheitern vorprogrammiert ist, mit einem “Diäten funktionieren nicht” zu folgern – so etwas ist ein Kurz-Schluss. Nehmen wir doch (vorläufig?) einmal an, dass

 

Die Funktionsbedingungen der Diät

komplex sind.  Sie umfassen

  • Die Macht der Gewohnheit
  • Das soziale Umfeld
  • kulturelle Traditionen
  • kulinarische Fähigkeiten
  • die Auswahl aus einem schier undurchschaubaren Warenangebot
  • vielfältige Funktionen des Essen
  • das geographische Umfeld – Radwege, Fußgängerfreundliche Stadtgestaltung und vieles mehr
  • medizinische Versorgung
  • Signale von Körper und Seele, machmal verbunden mit Signalstörungen
  • Bildung, Information, Desinformation

und vieles mehr. Das alles in eine einfache Formel zu packen, ist unmöglich. Die einfachen Schnellschussantworten sollen die Ballermänner sich an den Hut stecken – vielleicht schmücken sie ja!

 

Diäten funktionieren nicht

Stellt Euch mal zwei Fußballmannschaften A und B vor, die ziemlich oder genau gleich stark sind. Sie spielen gegeneinander im Stadion der Mannschaft A, die auch all ihre Fans mobilisiert hat. Das Stadion ist ausverkauft, und fast alle Zuschauer feuern Mannschaft A an – Sprechchöre, Trommeln, Gesänge, Pfeifkonzerte (gelegentlich), wenn B im Ballbesitz ist. Außerdem ist den A-Spielern eine hohe Siegprämie versprochen worden, den B-Spielern nicht. Welche Mannschaft wird gewinnen?

Der Gesang der Massen entscheidet

Wenn alle synchron eine Botschaft herausschreien, kann das entscheidend für den Ausgang der Schlacht sein. Was alle beim Fußball wollen, ist mir schnurzegal – das regelt sich oft nach dem Motto “Einmal Fan von xy, immer…”

Das ist von geringerBedeutung, außer einer wirtschaftlichen für die Medienbranche, aber wenn alle brüllen, dass

 

Diäten nichts taugen

ist das halt eine Gehirnwäsche und schlimmer als Maos Banden während der Kulturrevolution. Das war menschenfeindlich, mörderische Gleichmacherei auf der Basis eines pervertierten Verständnisses des “neuen Menschen“.

Hier und heute wird das “Diäten taugen allesamt und nie und nimmer” überall und ständig verbraten, aber mal wissenschaftlich zu untersuchen, was geht und was warum scheitert: Da passen die “Gelehrten”, und die Laien stehen unbelehrt im Regen, mit ihrem mühsam erworbenen Halbwissen, denn die Lehrstuhlinhaber und amtlichen Würdenträger steuern zum Gesamtbild stets nur wenige Puzzlestückchen bei, als hätte ihr Amtseid den Dienst an der Unwissenheit beinhaltet.

Fakt ist, wenn alle brüllen, dass Diäten nichts taugen, entwickelt das eine Wirksamkeit im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung, weil auch die Mühe, zu untersuchen, woran denn die Diäten alle scheitern,  und wie es besser zu handeln wäre, unter diesem Stern zu wenig erfolgversprechend erscheint.

Der dumme Spruch “Diäten taugen nichts” ist ein Trugschluss wie die Idee, dass Händeklatschen etwas bewirkt:

 

Die verscheuchten Elefanten

Ein Mann klatscht alle zehn Sekunden in die Hände. Nach dem Grund für dieses Verhalten befragt, erklärt er: „Um die Elefanten zu verscheuchen.“ Auf die Bemerkung, dass es hier gar keine Elefanten gebe, antwortet er: „Na, also! Sehen Sie?“ (Quelle)

Das Beispiel stammt aus der “Anleitung zum Unglücklichsein” von Paul Watzlawick, das “Anti-Ratgeberbuch”  war in den 80-er Jahren ein Bestseller und zeigt noch heute, wie wir uns manchmal selbst die Knüppel zwischen die Füße legen.

Indem immer wieder skandiert wird, dass Diäten nichts taugen, kümmert sich niemand mehr darum, wo denn der Fehler liegt: Einem komplexen Problem wird mit einfachen Lösung zu Leibe gerückt, und die simplen “Patentlösungen” scheitern: „Na, also! Sehen Sie?“ Das

„Ich habe es doch gleich gesagt, dass das nicht funktioniert – und wenn Du jetzt meinst, ein System entwickelt zu haben, werden wir es nicht unterstützen, weil wir glauben, dass es nicht funktioniert – und denke nicht, dass wir uns für die Tiefen des Problems interessieren (und eigentlich snd wir ja auch ein Teil des Problems) oder dich unterstützen”

folgt sogleich, wir müssen es uns nur noch dazudenken. Die Aufgabe, “die richtige Diät” zu entwickeln, wird konsequent vermieden und so verewigt.

Die richtige Lösung für das Problem “Übergewicht”  kann sich in einem unterstützenden Umfeld ergeben – weil es noch gibt keine adäquate Unterstützung gibt, müssen wir, die Betroffenen, uns die nötige Hilfe noch selbst organisieren.

 

 

Alle Artikel aus der Serie “Handbuch zum Abnehmen” findest Du im Artikel “Das kleine Handbuch zum Abnehmen”.

 

 

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