wandeldurchechtesessen

Bunte Bewegung “Rund um die Ernährung” mischt die Karten neu

| Keine Kommentare

Es war dieser Tweet am 19.09.2016, der mich zunächst stutzig machte:

Michael Pollan@michaelpollan

Highly optimistic take, but provocative: Why the Food Movement is Unstoppable http://bit.ly/2d5uHzz

Es ging um einen Artikel über Die nicht mehr aufzuhaltende “Lebensmittel-Bewegung” – eine äußerst optimistische, zudem provokante Annahme…

Real food – Echtes Essen – eine legitime Forderung

Sich in den Atikel einzuarbeiten, braucht einige Zeit, ihn quer zu lesen und zu schauen, um was es überhaupt geht, fördert Bekanntes zutage, so die Forderung nach “real food”, das an anderer Stelle, wieder in einem Tweet, so definiert wird:

“What is real food? Food that truly nourishes producers, workers, the earth, communities, consumers”

Tja, der Endverbraucher mit seinem Teller steht hier an letzter Stelle, und diese Sicht hat auch ihre Richtigkeit, denn ohne Landwirte, Arbeiter, Fahrer und Verteiler, deren gute Arbeit auch gut honoriert werden muss hätten wir praktisch nichts zu Essen, und auch leere Kaffeetassen; beim Kaffee hatten wir hier ja schon mal über “Fairness” und Qualität gesprochen – und kürzlich versucht, eine Definition von “Echtem Essen” zu liefern; der Aspekt, dass gutes Essen auch einen guten Lebensunterhalt bieten muss, gehört natürlich auch auf den Tisch.

Es gibt bereits Initiativen, zu denen ein riesiges Potential an weiteren Initiativen, die sich noch gründen können, gedacht werden muss:

  •  Kongress Wir haben es satt
  • Demonstrationen – Naturschutz
  • food-watch
  • slow food, fair-Trade-food
  • lokale Märkte
  • Weitere Formen der Direktvermarktung, z.B. “Milchtankstellen”
  • “Solidarische Landwirtschaft” – Transparenz mit Lerneffekt
  • Stadtgärten, Bürger-Gärtnereien, Dachgärten, Schulbauernhöfe, Tierhaltung und Resteverwertung
  • Millionen Einzelentscheidungen “Was kommt auf den Teller”
  • Die Tafeln
  • Arbeitsbeschaffung und Lebensmittelversorgung, lokale Manufakturen
  • Bürger- und Rentnerkantinen, Schulkantine mit Schüler- und Lehrerbeteiligung im praktischen Unterricht
  • “Bedarfs-gemäßes Essen statt Über-Essen” im Kompetenznetzwerk GegenGewicht

Gelegentlich wird das Bedürfnis nach “echtem Essen” natürlich auch auf die Schippe genommen, “hinterfragt” – schließlich will jeder seine Meinung in Umlauf bringen, und manche Meinung wird, im Zusammenhang von Interessen, die von außen nicht immer zu erkennen sind, verbreitet. Bei der “Gründerszene” heißt es:

Wir wollen unbedingt zurück zu heimatlichen Scholle. Zur Muttererde. Zum einfachen, unbehandelten Produkt, so wie die Natur es für uns wachsen lässt. Am besten im eigenen Garten, wie bei den Großeltern. Ganz ohne störendes menschliches Zutun. Da fühlen wir uns sicher. Was daran besser sein soll, ist nicht so richtig klar, geschweige denn bewiesen – eher umstritten.

Die Frage nach Beweisen für die Vorteile des Gartens,  hier im Zusammenhang mit “Erdverbundenheit” gestellt,  vielleicht auch im Zusammenhang mit dem Bedürfnis, “geerdet” zu sein, mit beiden Beinen “auf dem Teppich” und nicht esoterisch-abgehoben, kommt mir allerdings merkwürdig vor.
Andererseits habe ich kein Gartenblog, und es genügt hier, darauf hinzuweisen, dass es sehr viele unterschiedliche gärtnerische Stile gibt. Dass ohne Kraut- und Gemüsegärten die Entfremdung von der Natur zunehmen muss, Kinder wenig begreifen werden, was Gemüse und Kräuter betrifft, gibt es hier noch als kostenloses Argument…

“Wir” gestalten unsere Umwelt – nach überwiegend ökonomischen Gesichtspunkten, ein bisschen Mittelalter wird erhalten, und “Grün” spielt bei den Neubauten auch keine große Rolle – die Priorität liegt auf dem autogerechten Bauen.

[ Obiges Bild in großer Ansicht öffnen]

Nur ein Nebengedanke: Wenn in jedem Vorgarten und auf jedem Balkon auch nur eine Tomatenpflanze stünde – wie viel käme dabei zusammen?
Welche Indizien könnten wir heranziehen, um das “gärtnerische Lebensgefühl”, das nicht nur bei den Kleingärtnern in ihren Laubenkolonien zu finden ist, zu beschreiben?
Und was machen diese Kleingeister, wenn die Rosen von den Blattläusen befallen sind? Die Natur lässt keinen englischen Rasen wachsen, dieses Kunstprodukt braucht keine Wiederkäuer, die es abgrasen, sondern einen mechanischen Rasenmäher.

Aber aus diesem Gefühl heraus, das inzwischen zum Zeitgeist wurde, ist eine unübersichtliche Menge von Food-Startups entstanden. Alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie bieten wenige Produkte an, um die sie sich dann aber intensiv kümmern. Ihr Versprechen: Wir kennen uns damit richtig gut aus und liefern euch ein authentisches, reines, gesundes Produkt, das es so nirgendwo sonst gibt. Da ist zum Beispiel Reishunger. Wer hat jemals über Reis nachgedacht? Eben. Diese Gründer schon. Nach all den Jahren mit Reis, der nach gar nichts geschmeckt hat, will uns Reishunger mit dem zur beliebigen Sättigungsbeilage verkommenen Produkt versöhnen.

Vieleicht habe ich, wenn ich die Sache mit den Food-Startups doch recht überschaubar finde, etwas übersehen – vielleicht hat aber auch die “Gründerszene” beim vielfältigen Reis-angebot, das auch in weniger neuen Unternehmen, etwa bei der GEPA, gepflegt wird, eine selektive Wahrnehmung.

Ungeschälter Fair-Trade-Langkornreis, Königsberger Klopse, Bieressig-Kokossauce, Champignons...

Aber letztlich sind beide Unternehmensformen auch Bestandteil einer “Lebensmittelbewegung”, Ausdruck des Bedürfnisses nach “echter Nahrung”.

Darum geht es auch in einer Stellungnahme von Misereor:

Das katholische Hilfswerk Misereor bezieht Stellung gegen Bayer-Chef Werner Baumann, der in der Übernahme des US-Konzerns Monsanto einen guten Deal für die Menschheit sieht.

„Ich bin anderer Meinung“, sagt Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel gegenüber der WirtschaftsWoche, „die zunehmende Marktkonzentration – neben Bayer und Monsanto schließen sich ja auch noch andere Konzerne zusammen – führt dazu, dass die Bauern in Afrika, Lateinamerika und Asien abhängiger vom Saatgut weniger Konzerne werden, die permanent die Preise erhöhen.“ Die eingesetzten Chemikalien gefährdeten die menschliche Gesundheit und schaden der Umwelt, so Spiegel.

Natürlich müssen auch staatliche Institutionen auf diesen Zug aufspringen – “Besser Essen in Hessen” reimt sich, tritt für Nachhaltigkeit ein, ist aber nicht sonderlich wirksam. Wir haben hier zwar keine Mega-Molkereien, aber für eine wirklich regionale Vermarktung sind die Strukturen schon viel zu groß.

Welchen Beitrag Gesundheitspolitik und -”Verwaltung” zu besserer, auch gesundheitlich präventiver Ernährung bringen, ist schwierig abzuschätzen, man rechnet mit steigenden Kosten im Gesundheitswesen, und einem steigenden Anteil der medizinischen Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt – wollte man das zynisch kommentieren, müsste man  sagen, dass auch das “Wachstum” ist, systembedingt gewolltes Wachstum.

Ein Grundbedürfnis

Während wir das “Essen” meist als natürliches Bedürfnis, das wie jedes andere auch gestillt werden muss, fast als eine Pflicht, nicht als freie Entscheidung behandeln, ist es für Andere Gegenstand ihrer Arbeit, Broterwerb oder Passion, die aber auch schon mal ihre Bedeutung wechselt und unlängst auf einem Kongress von Ernährungsfachkräften so charakterisiert wurde:

“Für mich ist Genuss die wichtigste Achtsamkeitsübung”

Wer also demnächst die Diätassistentin konsultiert, ist vorgewarnt…  ;-)

Die “Bewegung für besseres Essen” reicht von der “braven” Diätassistentin bis hin zur “rebellischen” “occupy-Bewegung” und scheint immer ein wenig abhängig vom jeweiligen Zeitgeist zu sein: Das abgebildete Plakat ist 2011 entstanden…

 

“Wir haben es satt”

Eine Agrarindustie, die Pflanzen so verändert, dass nix Gutes dabei entsteht,  und natürliche Wesen patentiert, “monopolisiert”, hat unser Einverständnis nicht. Und seien wir ehrlich: Es ist doch keine Schande, sondern ein Zeichen von Vernunft, einen Zweig der Industrie, der sich als gesellschaftlich kontraproduktiv erwiesen hat, wieder zu schließen oder zu stutzen…

 

 

Es gibt auch die, die verhungern

Zum “Food-Movement” gehört es auch weltweit, die Nahrungsmittel zu achten, also auch so mit ihnen umzugehen, dass sie nicht verschwendet werden – auch solche staatlichen Bemühungen oder Pflichterfüllungen tragen ihren Teil dazu bei, den Aufmerksamkeitsfokus auf unsere Mitverantwortung den anderen Weltbürgern und der Umwelt gegenüber zu richten – und eine “geschärfte Aufmerksamkeit” zu entwickeln.

Es ist wie bei den Klimazielen der UN, die kein Land alleine erreichen kann, weil, was die Nachbarn und die Menschen auf der anderen Halbkugel verursachen, auch uns betrifft.

 

Dass Essen und Moral in einem engen Zusammenhang stehen, muss hier nicht weiter begründet werden: Ist es moralisch, Ackerflächen für die Treibstofferzeugung zu nutzen, während anderernorts Menschen wegen Unterernährung sterben?

An solchen “Punkten” scheint mir keine weitere Diskussion mehr möglich.

 

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral

Der sorg- und achtsame Umgang mit der Ressource “Lebensmittel” führt aber auch allgemein zu einer Haltung der Sorgfalt, und möglicherweise kann jemand, dem Lebensmittelvernichtung zuwider ist, auch andere Verschwendungen (die Rechnungshöfe wissen ein Lied davon zu singen) schlechter ertragen als jemand, dem es schon eher egal ist, wenn auf dieser Welt die vitalen menschlichen Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden “können”.

Dass Sorgfalt (Achtsamkeit – Moralität) möglich ist, und von dem Wunsch nach “echtem Essen” flankiert und beflügelt werden mag, ist also die “frohe Botschaft” dieses Artikels  ;-)

 

«Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass die Menschen versorgt sind». Siemens-Chef Joe Kaeser.
Tagesanzeiger

Der Gedanke ist hier, dass die Digitalisierung und “die Roboter” uns die Arbeit wegnehmen, und damit ein Teil der Gesellschaft “abgehängt” wird.  Und so viele Brücken haben wir garnicht, dass die Abgehängten alle einen Platz zum Schlafen finden – also muss die Gesellscshaft sie versorgen…

Wahrscheinlich ist bei der Versorgung der Abgehängten eine Mindest- und eine Höchstdosis an Geschmacksverstärkern vorgesehen, denn Essen gehört zu den Grundbedürfnissen, und “Hauptsache, es schmeckt”.

Ob so eine “Grundversorgung” allerdings der Weisheit letzter Schluss ist, darf bezweifelt werden. Das Positive an diesen Zweifeln: Solche Fragen dürfen auch diskutiert werden!

 

Der halbgare Truthahn in der Mülltonne, nebst Rosenkohl

Eine unheimliche, grausige, traurige Wahrheit hat der Guardian neulich enthüllt: Gerade an den hohen  Feiertagen landet das meiste Essen in der Mülltonne:

Weil ein Drittel der Briten nicht kochen kann!

Was diesen Artikel hier betrifft: Der ist inzwischen gar, auch hinreichend knusprig, und muss heraus aus dem Ofen, sonst wird er noch schwarz ;-)

7regelnEs handelt sich hier übrigens um einen Artikel der Serie

“Die Sieben Abnehm-Regeln”

- dort könnt Ihr gerne weiter-knuspern, so viel Ihr wollt, aber am Besten immer nur einen Arikel nach dem Anderen.

In der Lebensmittel-Bewegung kann man sich engagieren, wie es beliebt: Nachhilfe bei der Braten-Zubereitung geben, an politischen Demonstrationen teilnehmen,  ökologisch sinnvolle Konsum-Entscheidungen treffen und Vieles mehr.

 

 

 

Verwandte Artikel::

Hinterlasse eine Antwort

Pflichtfelder sind mit * markiert.

*