Oliver_Kahn_06-2004

Welche Alternativen zu Weight-Watchers hätten Sie, Herr Kahn?

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Lieber Herr Kahn,

sagen Sie mal ehrlich: Wann waren Sie jemals übergewichtig? Doch nicht als Torwart, da sind Sie doch immer schön – wenn es sein musste – in die Torecken geflogen, um “das Runde” nicht in “das Eckige” kommen zu lassen. Und jetzt sind Sie Botschafter bei den Weight-Watchers, um den Männern was vom männlichen Abnehmen zu erzählen, oder vorbildhaft vorzumachen.

Hanteln, selbst gemacht

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Da wird uns in der animierten Weight-Watchers-Anzeige gezeigt, dass das Gewicht einer Hantel sich an Ihrem Bauch befunden hätte – Sie hatten jemals Bauchfett, einen richtigen Schmerbauch?

Ich kann es einfach nicht glauben. Eher glaube ich, dass Sie eine Marke sind. Klar, eine erfolgreiche, so, wie Sie sich vermarkten. Für Grillwürstchen aus Geflügel haben Sie ja auch schon Werbung gemacht? Sie Welttorhüter! Die Bezeichnung toppt den Nationaltorwart ja meilenweit. Gut so!

Schön, dass Wikipedia Ihnen einen Artikel gewidmet hat; dort wird die Nummer eins, Ihr erstes Buch, herausgekommen vor 9 Jahren, erwähnt, nebst einer Rezension auf einer Beauty-Seite:

Oliver Kahn: “Ich. Erfolg kommt von innen”

 

Klar. “Schönheit kommt von innen”, war mal der Werbeslogan für Beauty-Dragees, da kommt der Erfolg auch von innen. Auf die richtige Einstellung kommt es an! Haltung muss man wahren. Und viele, viele Tipps, und so ist das Alles

… über weite Strecken so allgemein gehalten, dass es jeder für sein eigenes Leben und seine eigenen Ziele adaptieren kann. …  In diesem Sinne lässt sich das Buch auch als Inspiration in den Bereichen Schönheit und Fitness nutzen – zum Beispiel, indem man sich das Erreichen des persönlichen Wunschgewichts zum Ziel setzt.

Damals hat das also schon angefangen, mit Ihrem Wunschgewichts-Coaching. Und heute geht es weiter, oder erst richtig los. Wetten, dass Sie von 45 Mahlzeiten bei mindestens 4,5 die Punktezahl korrekt angeben können?

Ihre Homepage, auf der Sie all Ihre öffentlichen Auftritte auflisten, ist übrigens klasse. Informativ. Unterhaltsam auch, in Grenzen.

67 Prozent der deutschen Männer sind einer Studie des Robert-Koch-Instituts zufolge übergewichtig. Doch eine herkömmliche Diät kommt für die meisten nicht in Frage. Das war auch bei Torwart-Titan Oliver Kahn so. Der Ex-Leistungssportler hatte sein Essen nach dem Ende seiner Profi-Karriere nicht groflartig umgestellt, ohne regelmäfliges Training auf Profi-Niveau jedoch zugelegt.

Dass Sportler sich auskennen mit dem Körpergewicht, notfalls einen Trainer haben, der ihnen sagt, wie sie nach dem Ende der Karriere abtrainieren müssen, trifft aber auf Titan-Torwärter nicht zu?

Das enttäuscht mich. “VERLIER WIE IEN MANN” sagen Sie – sicher, das ist originell. Aber so in Großbuchstaben gilt das als geschrien. Diese Großbuchstaben hatten Sie ja schon auf dem Buchcover: “ICH.” Da hätte ich einen Doppelpunkt gesetzt. Aber ich kann mich in jemanden mit so einem riesigen Ego nicht hineinversetzen. Und Sie haben wenig Empathie für Moppel-Männer. Die sind Ihnen – glaub ich felsenfest – schon egal, längst egal, ganz egal.

Noch eine Frage: Hatten Sie Ihr Übergewicht am BMI festgemacht? Soll Mann nicht machen, wenn Mann viele Muskeln hat, sind die Ergebnisse verfälscht. Sie haben sich da mit Ihrem vermeintlichen Übergewicht vielleicht selbst einen Bären aufgebunden.

Und noch eine Bitte:  Sagen Sie den von Ihnen gecoachten Weight-Watchern doch bitte, dass das nicht so ernst gemeint ist mit dem “Ich kann trotzdem alles essen, was ich will, und dabei abnehmen”. Die kommen sonst nicht mit ihrem Punkte-Konto klar. Es kann ja nicht jeder in die Nationalmannschaft kommen, und schon gar nicht drin bleiben. Das ist halt Sportelite auf Zeit. Und die Mehrheit ist Durchschnitt, und der Durchschnitt ist übergewichtig. Das sagen Sie ja selbst, so ganz plötzlich, oder haben Sie sich zu ihren “aktiven Zeiten” auch schon um die Volksgesundheit gekümmert?

Was halten Sie von Sauergemüse in der Diät? Kennen Sie Curry außerhalb der Curry-Wurst? Wie viel Zucker ist in Ketchup? Ist Salsa eine Alternative? Kochen Sie gerne? Ist Blattsalat besser als Weißkohl zum Abnehmen? Warum sagen Sie nicht mal dem Herrn Pape die Meinung? Trennkost ist doch Quatsch, oder? Müssten Sie da nicht mal aufklärend wirken, oder macht Ihr ICH da nicht mit?

Man soll ja immer nach der Alternative suchen, denn die gibt es. Nicht, wenn man unbedingt Nationaltorwart sein will – das ist etwas einmaliges, das meine ich aber auch nicht. Wir reden ja vom Abnehmen – dem “Abnehmen wie ein Mann”. Vom männlichen Abnehmen. Es kann ja sein, dass Sie dabei Impulse geben, dass Sie Männer zum Abnehmen anstiften. Find’ ich nicht unbedingt schlecht.

X Kilos abnehmen mit der Portionsdiät

X Kilos abnehmen mit der Portionsdiät

Aber die Methode…

Seien Sie mal ehrlich: Kennen Sie das Problem mit den gemeinen Fettzellen, die sich tendenziell gefüllt besser fühlen als leer? Den Jo-Jo-Effekt kennen Sie doch bestimmt nicht!? Hatten Sie schon als Kind Übergewicht? Kummerspeck?
Haben Sie mit Weight-Watchers abgenommen, die paar Pfund zu viel? Was taugt so ein online-Programm?
Niemand mag vorgekautes schlucken müssen, deshalb sind manche Regel-Programme (auch “Diäten”) so uneffektiv.

Warum wohl ist  immer und überall die Rede von Lebensstil-Änderung? Und zu welchem Typ passt welcher Sport? Welche Alternativen gibt es denn zum Fußball-Platz, müsste man da nicht mal den Blick erweitern, Richtung: Typgerechte Sportart(en)? Zur inneren Einstellung, die man zum Abnehmen braucht, können Sie doch bestimmt noch etwas erzählen? Oder ist “Erfolg kommt von innen” schon alles – reicht das?

“Achtung, Dauerwerbetext”: Das war die Anmerkung bei einem Tweet, der zu einem Interview, Ende 2012 führte. Sie seien kein Gemüsetyp, ist da zu erfahren. Auch kein Maradona-Typ, was die Fettverteilung betrifft, und auf die Frage nach den Figurproblemen kam kein eindeutiges “JA”, sondern ein diplomatisches, ehrliches, ausweichendes, “Kommt auf den Blickwinkel des Betrachters an”. Super! Sie sind kein Apfeltyp, kein Birnentyp, überhaupt kein Übergewichts-Typ – und eine Vorliebe für Schokolade und Gummibärchen ist so was von häufig, dass es lohnt, mal etwas anderes zu probieren.

Käsekuchen mit Schokolade, im Glas

 

Ja es reicht jetzt. Genug. Sie haben mich bestimmt verstanden. Wenn nicht, noch mal in Kurzform: Hören Sie auf, uns etwas vom Pferd zu erzählen, legen Sie Ihre Karten ruhig auf den Tisch und beweisen Sie, dass ihr Horizont nicht bei den Weight-Watchers endet. Räumen Sie ein, dass es andere, zumindest gleichwertige Möglichkeiten gibt. Werden Sie sachlich. Sehen Sie ein, dass niemand Ihre Werbespots richtig glaubwürdig findet – sie rufen, im Gegenteil, sogar Aversionen hervor.

Was Sie in den Werbespots erzählen, ist geschauspielert, auch wenn es authentisch herüberkommt. Viele sagen “Ich finde diese Werbespots blöd”, und meinen, dass sie eigentlich nicht manipuliert werden wollen, sich aber dem, was ihr Ex-Nationaltorwart, mit dem sie so manche Schrecksekunde mitgefiebert haben, sagt, nicht entziehen können. Gerade Schlanke bauen Aversionen auf.

Falls Sie die Übergewichtigen verunsichern: Ist das sinnvoll? Soll, wer nicht Ideal-gewichtig ist, jetzt ein schlechtes Gewissen haben? Wie viele finden durch Sie in das WW-Programm, wie steht es mit der Erfolgsquote, wie betreuen Sie die Looser, und, nochmals, welche Alternativen gibt es? Glauben Sie im Ernst, dass online-Punktezählen mehr als Erfog-versprechend ist?
Manchmal – was heißt das denn? Dass das auf den Standpunkt des Betrachters ankommt, haben Sie ja schon gesagt, bloß, was das bedeutet, sagen Sie nicht.

Wenn der Erfolg von innen kommt – was nutzt dann das von außen aufgesetzte, übergestülpte Punkte-Zähl-Programm, das Sie propagieren? Sicher, Manche lernen das und dann halten Manche sich machmal dran; zehn Prozent als Erfolgsquote wär’ schon gut für Ihr Programm – aber die Anderen?

Motivation  für das bisschen, was Sie abnehmen mussten, hatten Sie mit so einem Werbevertrag ganz ordentlich. Also sind Ihre Äußerungen über “Ihr Programm” auch sozusagen vorprogrammiert.

Ansonsten sind Programme, die einen umprogrammieren wollen, Murks. Wir sind doch keine Roboter, die sich für einen halben EURO am Tag ein neues Programm kaufen – so geht’s aber wirklich nicht. Es geht doch nicht um ein von außen herangetragenes:  “Du solltest jetzt aber abnehmen”, sondern um Einsichten.  Um Hilfe zur Selbsthilfe außerdem. Da könnten wir noch viel bewegen. Eine Infrastruktur für Selbsthilfe aufbauen, weil die nicht von selbst entsteht. Dabei winkt aber kein Preisgeld als Belohnung, höchstens eine gewisse Anerkennung.

Jetzt hab’ ich Ihnen zumindest mal das Unbehagen an der WW-Werbung, das häufig entsteht,  zum Teil erklärt – konstruktive Kritik finden Sie doch angebracht?

Und weil wir doch alle essen müssen, sind Sie, sind auch die anderen Leserinnen und Leser schließlich eingeladen, sich von dem einen oder anderen Rezept inspirieren zu lassen.

Viel Spaß dabei, und guten Appetit,

Ihr

 

Klaus-Peter Baumgardt

 

Nachtrag:

Inzwischen kooperiert WW mit “Fitbids” im Bereich “Vernetzte Gesundheit und Fitness”. Wer sich darauf einlässt, handelt sich zusätzlich zum Übergewicht tentiell eine weitere Abhängigkeit ein. Fitness wird zur Ersatzreligion, die man überwachen kann. Der smarte Kahn wird das schon in Ordnung finden, wenn der Markt sportliche Leistungen honoriert. Wenn unsportliche Übergewichtige auf Leistungskurven starren, die suggerieren, dass sie selbst schuld sind, wenn es nicht wie in der Werbung versprochen klappt.

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Welche Männer haben Erfahrungen mit Weigt-Watchers-online-Programm?

    Hallo, ich bin zu dick und möchte gerne abnehmen. Am liebsten in einer Gruppe – oder bin ich da die Ausnahme? Weight-watchers mit echtem Coach (also nicht übers Internet) gibt es offensichtlich nur für Frauen – mit Erfolgsgeschichten, die allerdings nur Promotion sind und als “Service” daherkommen.
    Im Prinzip würde mir die Idee mit echten Treffen, Erfahrungsaustausch, Motivation und gemeinsamen Aktionen (auch Sport) gefallen. Vielleicht auch als Männergruppe?

    • Hi,

      die festen Treffen der Weightwatchers sind wahrscheinlich auf dem absteigenden Ast, es ist öfters zu lesen, dass sie geschlossen werden. Die Idee mit den Treffen war im Prinzip richtig, wenn sie auch stark von der Qualität des Coaches abhängig sind oder waren: Coaches mit eigener Erfahrung in dem Abnehm-Programm, das sie vertreten.
      Nun könnte man sagen, das (die Idee) lässt sich doch übernehmen, fortführen.
      Vom ökonomischen Aspekt her sind diese Treffen allerdings nicht so lohnend wie der Verkauf von lizensierten Produkten (Fertig-Lebensmitteln) und die “online-Betreuung”, nehme ich an.
      Männergruppen gibt es bisher noch nicht, so weit ich weiß; wollte man welche gründen, wäre nach dem bisherigen Prinzip zuerst die Frage, woher man den erfahrenen Coach nimmt, und zweitens, ob Männer bereit sind, das Übergewicht gemeinsam und solidarisch anzugehen.
      Grundsätzlich wäre auch zu fragen, ob reine Männer-Gruppen oder doch gemischte Gruppen besser sind – oder es kommt auf den Einzelfall an.

      Hinzu käme noch das Problem der “internen Schulung” der Coaches, was nur zu lösen wäre, wenn es eine genügend große Anzahl an Gruppen gibt;
      man könnte dann in der Art einer Balint-Gruppe arbeiten.
      Perspektiven gibt es also durchaus.

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