Einen Einblick in andere Welten stellte kürzlich die Unterhaltung mit einem Rentner (75) dar, der über eine beeindruckende Fähigkeit, an Allem und besonders an jedem Essen herumzumäkeln, verfügte.
In der Hoffnung, dadurch vielleicht eine sanfte Wendung des Gesprächs herbeizuführen, fragte ich ihn, ob er vielleicht ein Hobbykoch sei, und bekam zu Antwort, “Ja, Kochen kann ich durchaus, wenn auch nicht viel: Mal einen Kaffee – und zur Not ein Ei.”
Hier entstand zwar eine winzige Gesprächspause, aber, um den Faden nicht abreißen zu lassen, fragte ich nach, ob er den Kaffee von Hand flitere.
“Nein, wir haben seit zwei Jahren einen Kaffeevollautomat.”
“Ja, aber – lohnt sich das denn überhaupt – die Dinger kosten doch schon mal eine vierstellige Summe!”
“Nein, so schlimm war das gar nicht. Wir haben bei einem Sonderangebot im xy-Markt zugeschlagen. 666 Euro. Ein Markengerät. Die Maschine funktioniert einwandfrei, der Kaffee ist frisch gemahlen und frisch gebrüht, wir nehmen immer Markenkaffee La… oder Ba…. – was gerade im Angebot ist, und sind damit eigentlich ganz zufrieden.”
Der gute Mann ist schnell zufrieden. Dass guter Kaffee frisch geröstet sein muss und auch fair gehandelt, wäre wohl schwer zu vermitteln gewesen.
Dass unsere Städte und Dörfer wegen der mangelnden Kaffeekultur verarmen, dass hier gegengesteuert werden muss, hätte ich mal sagen sollen – denn mit dem Geld, das der “sagenhafte” Kaffeevollautomat kostet, kann man schon ein paarmal auswärts Kaffee trinken, zum Beispiel.
Ansonsten: Auch ich trinke mal einen vollautomatisch gebrühten Kaffee oder Cappucino – wenn ich unterwegs bin. Die kleinen Bäckereifilialen haben nichts anderes im Angebot, häufig müssen die Kunden “den Automat” selbst bedienen…
Nicht, dass ich etwas gegen solche Geräte hätte.
Aber eigentlich sind sie doch für den Gebrauch in Cafés konzipiert, fürs Brühen von 50 und mehr Tassen pro Tag, und im Privathaushalt eher überdimensioniert. (Große Abbildung?)
Dann wenden wir uns noch mal kurz der Qualität der Kaffeebohnen zu:
Vermehrte Nachfrage nach qualitativ hochwertigem (bio-Fair-Trade-) Kaffee bringt vielleicht auch Chancen für regionale Röstereien, oder Klein-Röster, gerne mit angeschlossenem Café. Und damit Chancen, hierzulande wirtschaftlich zu überleben.
Für die Kunden kommt im kleinen Kaffeegeschäft eine soziale Komponente hinzu, nämlich Gedankenaustausch., was beim Einkauf im Supermarkt- und Dicounter ja wegfällt.
Und Frisch geröstet hat Kaffee am meisten Aroma!
Insofern ist auch das Selbst-Rösten einen Gedanken wert. Hierbei entfällt – wenn es um den Eigenverbrauch geht – auch die Kaffeesteuer, zudem gibt es Importeure, die den Kaffee direkt bei der Kooperative beziehen, wodurch ein fairer Preis gewährleistet sein sollte. So ein Kaffee mit definierter Herkunft ist dann eine ganz andere Klasse als das zusammengewürfelte Produkt mit Bohnen aus aller Welt, bei dem die “schonende Röstung” vielleicht doch nicht so ganz zu garantieren ist.
Manche Großröster kühlen das “ultrahocherhitzte” Röstgut mit Wasser – dann kann der Wassergehalt der Kaffeebohnen maßgeblich zum verkauften Gewicht beitragen.
Schmutz und Siff im Kaffeevollautomaten
Im Rahmen der ehelichen Arbeitsteilung war der rüstige Rentner eher für die technischen Seiten des Haushalts zuständig – dass sich häufig auch Schimmel im Vollautomat bildet und das Reinigungsprogramm nicht ausreicht, und die Brüheinheit unter Umständen fest eingebaut ist, eine gründliche Reinigung so unmöglich wird – eigentlich sollte er das wissen, und wenn er es nicht weiß, ist das aber nicht mein Problem.
Ein bisschen mehr Bewusstsein für das, was wir tun und dessen Wirkungen wäre schön. Hat Kaffee-Anbau Auswirkungen auf die Natur?
Das ist Vielen egal – Hauptsache, der Preis stimmt.
Ein Zusammenhang zwischen Urwäldern und globalem Klima existiert, oder existiert nicht? Dürfen wir Verantwortung für gerodete Urwälder übernehmen, oder müssen wir nach Alternativen zur Umweltzerstörung suchen?
Sind die Lebensbedingungen der Kaffeepflücker akzeptabel?
Schon lange wird immer noch beklagt, dass viele Menschen auf der Welt verhungern, und mehr als eine Milliarde Menschen permanent Hunger leiden.
Die Süddeutsche Zeitung hat den politischen Philosophen und Yale-Professor Thomas Pogge interviewt; der sagt zu “fairem Handel”:
“Kaufen Sie Fair-Trade-Kaffee, weil sie damit ein Zeichen setzen, sich für andere einzusetzen. Machen Sie sich aber nichts vor! Wenn Sie glauben, Sie wüssten, welche Konsequenzen ihre Kaufentscheidungen in der Welt haben, ist das eine Illusion. Tatsächlich spürt man ein emotionales Mitleiden, vor allem auch jetzt mit den Flüchtlingen in Europa. Die Gefahr ist, dass sich das in wirkungslosen Handlungen erschöpft oder sich sogar ins Gegenteil verkehrt, wenn die Flüchtlinge erst einmal da sind und soziale Kosten verursachen.”
So ein Hinweis auf Krieg und Frieden, die international ungleiche Verteilung von Einkommen und Besitz ist natürlich in einem sachlichen Artikel über Kaffeevollautomaten nicht so üblich.
Aber, so ungerecht es ist, wenn ein Prozent der Menschen, eine dünne “Oberschicht”, über 99 Prozent des Vermögens verfügt, so absurd erscheint der rüstige Rentner, stellt man ihn sich samt Kaffeevollautomat in einem armen Entwicklungsland als Krösus vor.
Slow food – diese Hüter des Guten Geschmacks, bieten ja auch Fair-Trade-Kaffee an – allerdings in Italien. In Italien wurde auch die welterste Espressomaschine gebaut.
Ansonsten:
Ein Kaffeevollautomat der sich nicht selber abschaltet, ist ja höchstens ein Kaffeehalbautomat!
Nachtrag:
Für Twitter und Facebook hatte ich anschließend noch eine Graphik entwickelt – ziemlich umständlich, und in der Bildunterschrift findet Ihr die eigentliche, einfache Aussage:
Liebe(r) LeserIn!
Für wie wichtig hältst die automatisierte Kaffeezubereitung? Wo ist hier die Grenze für ein gesundes Verhältnis von Kosten und Nutzen? Oder sind das Fragen, die man besser nicht diskutiert, da doch jeder sein eigenes koffeinhaltiges Getränk kocht?
Wie viel Kaffee trinkt Ihr? Und warum, und wozu, und ausserdem, und überhaupt?
Bildquelle: Wikipedia / Tobias Klenze / CC-BY-SA 3.0
25. Februar 2017 um 02:54 Uhr
Fazit des Artikels: am deutschen Wesen soll die Welt genesen! Es fehlen einige Aspekte, so die sozialpsychologische Komponente. Warum werden hunderte von diversen Kaffeevollautomaten für Privathaushalte angeboten und auch verkauft? Diese “überflüssigen” Maschinen (hier stimme ich mit dem Autor überein) sind primär Statussymbole und ein Modetrend (wer will schon als antimodern gelten, wenn der Nachbar über ein solches Spielzeug verfügt?). Zudem, von der Kommunikationsverarmung in Deutschland und fehlenden Kommunikationsbereitschaft mit dem “Fremden” profitieren die Haushaltsmaschinenhersteller (dieser Markt mit Haushalts-Kaffeevollautomaten soll allerdings gar nicht so profitabel sein, von der Situation des Marktführers einmal abgesehen). Danke für ihre Überlegungen und Anregungen!
25. Februar 2017 um 08:54 Uhr
Ach, es ist doch schön, wenn so ein “vergessener Artikel” doch noch mal wahrgenommen wird
Und spätestens, wenn nach Ablauf der Garantiezeit irgendeine Dichtung leckt, stellt sich die Frage: “Was nun?”
Häufig ist dann die Antwort: “Reparatur – lohnt nicht”… Dann stellt sich heraus: Besser hätten die Experten vorher nachgedacht, aber dieses Versäumnis konnten sie sich leisten, und das zu zeigen – darum geht es ja auch.
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