“Die Global Collecting & Entrusting Bank (GCEB) steht für Sicherheit, Verlässlichkeit und globale Verantwortung auch bei aufgeweichter oder aufgehobener staatlicher Bankenaufsicht – damit die Anleger morgen oder übermorgen genießen können, was sie heute anlegen und gestern angelegt haben” – eröffnete Annelie mir, kurz nachdem sie von einem instruktiven Meeting aus London zurückgekehrt war.
“Wenn unsere Banker trotz Brexit und Deregulierung fit für den Weltmarkt sein sollen, sind sie allerdigs gewissen, erhöhten Anforderungen ausgesetzt – und ernährungsseitig können wir nur dafür sorgen, dass wir ihnen “per Ernährung” dabei helfen, die Persönlichkeit auszubilden, die mit einem langfristig nachhaltigen Investment konform geht.”
Ich nehme an, dass “man” sie ermahnt hatte, konkrete Fakten, sprich machbare Rezepte und Konzepte für die Banker-Betriebskantine zu liefern, statt soziologisch-abstrakter Theorien, und sie bejahte meine Frage, ob es nicht auch schön sei, mal “handfeste Ergebnisse” bringen zu sollen statt soziologische Erkenntnisse für die Schublade zu liefern, war mir auch dankbar für den Denkansatz, den ich mit “Ernährung und Persönlichkeit” überschrieben hatte, meinte, dem Leitmotiv “Wir haben nur die Zukunfts, die wir gestalten” folgen zu wollen, wobei die zentrale Frage die nach der geeigneten, “zukunftsfähigen” Persönlichkeit sei.
Es war eine recht schräge Diskussion, in der es um Weltklima, Investitionsklima und protestantische Arbeitsethik ging, die dem harten Bankgeschäft gegenüber so tut, als wäre eine gesunde Rendite erwirtschaften anstrengungslos wie das Aufsammeln gebratener Täubchen im Schlaraffenland.
“Eine Bank, die Investionen zulässt oder verweigert, den Weg freimacht oder auch Weichen stellt, heute Entscheidungen trifft, die erst für künftige Generationen wirksam werden, also im weitesten Sinne Zukunft gestaltet, zwischen “Great Wall” und Deichbau abwägt, darf, ja muss auch heute ihre MitarbeiterInnen formen, sich zu dieser “Manipulation” bekennen, denn, gewollt oder nicht, stellt sie das Milieu “Arbeitsplatz” zur Verfügung und trifft mit der hier bereitgestellten Verpflegung mitten ins personale Bauchgefühl.
So wie der Mensch seine Nahrung gestaltet, gestaltet seine Nahrung ihn – “Der Mensch ist, was er isst”: Das geht doch auch aus deinen Studien zur Darmgesundheit und zum Biom hervor…Andererseits: Wenn ich bloß an die “Mood-Food-Welle” denke, an “Slow Carb”, “Soft-Carb” oder “Hard-Core-Carb”, “Full-Fat” oder “Fat-Free”, “High-Fat-low-Carb-Plant-Protein”, “Pulses for Breakfast”, “Meeresgemüse aus regionaler Bio-Wasserwirtschaft”, “Fair-Trade-Bananen aus pilzresistentem Anbau” denke oder auch an “Fresh-per-Cup roasted high-aromatic, hand-filtered Arabica-Coffee”, bei dem Du aus 20 zur Zubereitung verwendbaren Wässern auswählen und ein individuelles Bild aus Milchschaum aufdrucken lassen kannst, denke ich allerdings, dass wir auch ein Luxusproblem haben, als eigentliches Problem.”
So emotional kannte ich Annelie gar nicht – aber ich kannte sie auch wirklich noch so gut wie überhaupt nicht. Also erwiderte ich, dass es sich a) um eine Metastudie gehandelt hatte und b) das “Problem” des Luxus-Kaffees doch eher zu vernachlässigen, ja, eine Kaffeehauskultur doch durchaus anzuerkennen sei, und sie solle doch mal bedenken, dass es Länder gibt, die zwar zu den Kaffeeexportnationen gehören, in denen aber hauptsächlich schlechter, löslicher Pulverkaffee aus den Fabriken einiger weniger globaler Kaffee-Sprühgefrierextrakter getrunken wird.
Auch versuchte ich, die Argumentation von der Wertschöpfungskette her auf den Kantinenbetrieb zu übertragen, schlug vor, sich das im Detail, etwa bei der Cary-Curry-Cürbissuppe anzuschauen, was sie mir auch zusagte. Auch die Frage “Bio oder nicht Bio” müsse unbedingt angegangen werden, meinte sie, zumal “offizielle Ernährungswissenschaftler” hier schludern, behaupten, man dürfe das “Bio”
“… bitte nicht in Verbindung mit Gesundheit setzen. Das ist einfach falsch, auch wenn es anders verkauft wird. Die herkömmliche Zitrone liefert genau so viel Vitamin C wie die Bio-Zitrone. Man sollte nur die Schale nicht unbedingt in ein Gericht reinreiben.” (Quelle)
Ich stimmte zu, meinte,
“… der Mann kann von Ökologie keine Ahnung haben, wird von Artenvielfalt und Diversität kaum etwas verstanden haben und dürfte keinen blassen Schimmer haben, wie man “schlechte”, also leicht angestoßene Ware noch sinnvoll verwendet:”
Auch da waren wir uns einig: Wer Vielfalt auf dem Teller will, kann nicht Monokulturen und Plantagen, in denen keine Biene mehr überlebt, wollen und fördern. “Eigentlich…”, meinte ich.
Annelie ergänzte hier noch den Punkt, dass in der Spätphase des Kapitalismus die Profitrate gesetzmäßig ohnehin am Fallen sei, so dass, wer wirtschaftlich denken (und inflationsbereinigt einen Mehrwert erwirtschaften) wolle, ohnehin zur Sparsamkeit (wenn auch angesichts des Überflusses nicht zum Geiz) angehalten sei.
Politiker essen gefährlich
Bei diesem Punkt, der ihr am Hertzen lag, berief Annelie sich auf einen Internet-Artikel und auf Erich Kästner, den sie zitierte:
“An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.”
Bei dem Artikel handelt es sich um eine Glosse – um Wahrheiten, die man sich sonst nur hinter vorgehaltener Hand erzählt, wie
“Die Last vieler Politiker: Fast Food mit im wahrsten Sinne des Wortes schweren Folgen.”
Das ist natürlich Quatsch, wie jede Glosse, handelt aber vom Übergewichts-Problem, dieser Geißel der Menschheit, und führte uns thematisch wieder zurück zum Ballast, den Annelie loswerden wollte, unter dem ich ja auch leide, wenn ich es nicht gerade verdränge.
“Der frischgebackene Bundesminister des Äußersten hat seit Weihnachten stolze 13 Kilo abgenommen, wie er dem “Stern” bei einer Hochglanz-Homestory anvertraute. Ganz ohne Magen-Verkleinerung. Aber wie wäre es mit Sozialministerin Andrea Nahles? Die schrieb schon 2009 in ihrem Buch “Frau, gläubig, links” gegen die Selbstkasteiung an.
“Das Diktat des gesunden Lebens um jeden Preis lässt sich mit meiner katholischen Prägung, derzufolge jede Form von Leben ihren Wert in sich trägt, nur schwer vereinbaren.”"
“Ach, wie wäre was?” Ich sah mich außerstande, die von Annelie zitierte Glosse zu verstehen, aber Annelie erklärte es mir: “Wie wäre es, wenn die Nahles nicht nur Diät bezöge, sondern machte, also sich an Gabriel ein Vorbild nähme, der sich doch eindeutig Deine Sieben Regeln zu Herzen genommen hat…”
Das konnte auch gar nicht anders sein. Wahrscheinlich war dieser Politiker irgendwie an die sieben Portions-Diät-Regeln geraten und hatte sie einfach befolgt. Das wird es gewesen sein!
Annelie wollte nun “schnell noch” das Regelwerk besprechen, aber ich deutete nur schweigend auf die Uhr – sie verstand.
Vorhersagen, worum es in der nächsten Folge von Annelie Schmidtchens Kitchen-Fiction gehen wird – daa hat sich nun so herausgestellt – sind recht unmöglich. Annelie ist doch recht sprunghaft, impulsiv und auf eine sympathische Weise spontan. Die sogenannte “Zaubersauce” harrt immer noch ihres Coming-Outs, und die polit-ökonomische Entwicklung in der Welt beeinflusst die Welt ihrer Banker-Kantine nach wie vor.
Die bisher erschienen “Kitchenfiction mit Annelie Schmidtchen”-Beiträge stehen noch kurze Zeit zum Nachlesen bereit, aber das Beste ist: Die Artikelserie wird fortgesetzt!