“Eine gesundheitsbewusste Lebensmittelauswahl” ist anzustreben, damit ist der “Wegweiser für eine vollwertige Ernährung” Pflicht, denn “Vollwertig essen und trinken hält gesund, fördert Leistung und Wohlbefinden”.
So vollmundig spricht die “Deutsche Gesellschaft für Ernährung”, und wen es interessiert,
der schaut nach dem DGE-Ernährungskreis - und wundert sich, dass der scheinbar überall zu finden ist.
“Der Wissenschaft verpflichtet – Ihr Partner für Essen und Trinken” ist die DGE, sagt sie, aber wäre sie unser Partner, hätte sie hier, bei der Portionsdiät, wenigstens mal einen netten oder hilfreichen Kommentar hinterlassen. Die Sache mit der Partnerschaft – das ist ein nichtssagender Slogan, es darf uns jetzt einmal nicht imponieren, wie hier mit Sprachhülsen herumgeworfen wird. Dass Wissenschaftler die DGE-Empfehlungen hinterfragen - das ist Geschichte.
Experten-Empfehlungen für Laien
Auf einem viel gelesenen Abnehmforum, das ich einst betreut hatte, gab es das Phänomen, dass hunderte BesucherInnen passive LeserInnen waren, und neben den FragestellerInnen und denen, die von ihren Irrtümern und Schicksalen erzählten, einige Figuren auftauchten, die “es” geschafft hatten und nun den Anderen erzählten, was zu tun sei; Ob nun eher werbliche “Beiträge” zu Almased oder Schüssler-Salzen, oder offiziell-wissenschaftliches aus den Küchen der DGE. Was “copy & paste” anbelangt, waren Manche doch echte MeisterInnen, häufig wurde die DGE “zitiert”, der Laie wunderte sich, und als Autodidakt musste ich mich in die Materie einarbeiten.
Man fühlte sich mehr belehrt und gegängelt als verstanden und unterstützt.
Da wollte irgendeine Diät bis zu 60 Gramm Fettverzehr erlauben – wie könnte man das visualisieren, und was ist mit den versteckten Fetten? Wer ist welcher Esstyp, wo liegt das Normalgewicht, das Idealgewicht, der richtige BMI, die ideale Diät, wie hoch ist der Fettabbaupuls, wie schnell kann frau abnehmen, wo fängt eine Essstörung an, kann man Bauchfett nicht einfach absaugen, und was ist mit Bandwürmern?
Und so weiter, und so weiter.
Übergewicht kommt nicht grundlos zustande, was sind die Gründe – und alle Antworten gehen an der je betroffenen Person vorbei, weil es nur je besondere Gründe gibt, auf der Verhaltensebene, aber auch auf der Seite der Psyche.
Auch “Was läuft da schief mit den Diäten – da muss es doch Alternativen geben, wie kann man sich besser motivieren, hat das etwas mit dem “Essstyp” zu tun, oder ernähren “die Leute” sich falsch?
Offenbar ja, denn niemand hält sich an die
Ernährungsempfehlungen der DGE!
Hier sind sie mal wieder:
Lebensmittel | Orientierungswerte für Erwachsene |
---|---|
Gruppe 1: Getreide, Getreideprodukte, Kartoffeln |
täglich
Produkte aus Vollkorn bevorzugen Kritik:Hier ist die Reden von “Brotscheiben”, nicht von “Portionen Brot”, den Begriff “Portion” finden wir hier bei Kartoffeln, Nudeln und Reis, aber mit einer genauen Küchenwaage verkoppelt, die in den meisten Haushalten fehlt. |
Gruppe 2: Gemüse und Salat |
täglich
Kritik:Es ist an der Zeit, eine Verzehrempfehlung für Sauergemüse auszusprechen. |
Gruppe 3: Obst |
täglich
Kritik:Mal ein subjektiver Einwand: Wer Obst mag, und die Vielfalt des Angebots zu schätzen weiß, wird den Hinweis dass er Obst essen “sollte”, gewiss nicht brauchen. Dass es bei Obst auch Preisfragen gibt, entgeht den ErnährungsexpertInnen und ihrer Wahrnehmung offenbar. Häufig sind im Supermarkt Bananen das billigste Obst, während Äpfel aus der Region gar nicht angeboten werden, und wenn, dann eigentlich überteuert. Eine Imagekampagne für den regionalen Apfel sucht man bei der DGE vergeblich – wenn es sie gibt, dann in einem machtlosen Mini-Format.
|
Gruppe 4: Milch und Milchprodukte |
täglich
Kritik:Es gibt, wie das Beispiel anderer Kulturen zeigt, keine Notwendigkeit zum Milchverzehr und damit auch keine Notwendigkeit, Milchkühe mit importiertem Futter zu füttern. Diese Verzehrempfehlungen dienen nur dazu, die Nachfrage auf einem hohen Niveau zu halten – in der Praxis ist dann das “fettarme Milchprodukt” ein stark gezuckerter Yoghurt mit Fruchtaromen und Farbstoff. |
Gruppe 5: Fleisch, Wurst, Fisch und Eier |
wöchentlich
Kritik:“Wöchentlich” ist gut – “täglich” auch öfters mal die Praxis. Wobei es eigentlich ohnehin inzwischen antiquiert ist, Fleischverzehr überhaupt zu empfehlen. Es gäbe auch 1000 Gründe, keinen Fleischverzehr zu empfehlen.
|
Gruppe 6: Öle und Fette |
täglich
Kritik:Die weltweite Produktion von Walnussöl dürfte wesentlich geringer sein als die von Olivenöl, das hier unter den Tisch fällt, wenn es auch für sudliche Länder eine wichtige Einkommensquelle ist. Meine subjektive Empfehlung: Die leckeren Walnüsse als Nüsse ins Müsli (oder in den Nusskuchen) geben, und auf Walnussöl verzichten. Hanföl für die Salatsauce hat auch seinen Reiz – ganz zu schweigen vom Arganöl, das aber aus ökonomischen Gründen nicht allgemein empfohlen werden kann. “Butter oder Margarine” – so einfach kann man darstellen – so schwierig ist hier eine Empfehlung, und “das Deutsche Brot” ohne Butter oder Margarine scheint unvorstellbar… |
Gruppe 7: Getränke |
täglich
Kritik:“… ohne künstlichen Süßstoff” wäre vielleicht auch angebracht, und die ausdrückliche Empfehlung von Kombucha, Ayran, Brottrunk & Co, von Getränken, die die Darmflora fördern, entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft? Oder ist die Gesellschaft hier einfach nur mutlos, verschließt auch die Augen vor der Tatsache, dass vergärte Getränke bei einer Mehrheit höchst beliebt sind – “Hierzu jetzt lieber mal keine Aussage treffen“???
|
Meine Meinung:
Wenn schon eine Tabelle mit “Nahrungsmittelgruppen”, dann doch lieber die Bezeichnungen
- “Kohlenhydratlieferanten” statt “Getreide, Getreideprodukte, Kartoffeln”
Die Rolle von “Freiem Zucker”, unlängst von der WHO noch einmal thematisiert, findet sich in dieser Tabele nicht – darf aber angesichts des krankmachenden Einflusses von Zucker an dieser Stelle nicht unter den Tisch fallen. - “Eiweißlieferanten” statt “Fleisch, Wurst, Fisch und Eier”;
- die Gruppe “Milcherzeugisse” ist komplett entbehrlich, denn Yoghurt, Sauermilch & Co. können bei “Eiweiß-Produkten”, Butter und Käse bei “Fetten” gelistet werden.
- Hülsenfrüchte sind durchaus eine Empfehlung wert, ebenso
- Sauergemüse, aus Gründen, mit denen die moderne Wissenschaft sich noch nicht so lange beschäftigt, aber auch in der Landwirtschaft zeigt sich, dass mit vergorenem Futter die Qualität von Fleisch und Milch gesteigert wird.
- Kräuter und Gewürze sind ein Kapitel für sich. Dass sie wirksam und heilsam sind, ist doch wohl mehr als nur ein Gerücht (wenn sie auch n der industriellen Fertignahrung meistens “tot” sein werden). Aber natürlich auch aus Gründen des guten Geschmacks sind sie in der Küche obligatorisch, und dürfen bei “Verzehrempfehlungen” nicht ausgeklammert werden.
- Ballaststoffe - möglicherweise kann man darauf erzichten – aber die wenigsten von uns sind Astronatuten. Es fehlt zum Beispiel die ausdrückliche Empfehlung, Saucen mit Guarkernmehl oder Johannisbrotbaum-Mehl anzudicken, um den Anteil der löslichen Ballaststoffe unkompliziert zu erhöhen.
- Durst stellt sich schon ein, bei Bedarf. Alternative Empfehlungsansätze (siehe unten) verzichten auf gsonderte Trink-Empfehlungen, denn so viel Selbst-Regulation muss sein; alles andere grenzt an Entmündigung. Eine allgemeine Zucker-Warnung gilt ja auch für Getränke.
- Wenn Teflon trotz gegenteiliger Behauptungen doch schädlich ist, empfehlen Tausende Diätassistentinnen krank machende Küchengeräte. Die Gusseisen-Pfanne zu empfehlen – ist das jenseits der Kompetenzen der DGE?
“Die Milch machts” – Was macht sie denn?
Staatliche Werbung für Milch hat eine Tradition, und die könnte noch nachwirken. “Milch ist gesund, oder doch nicht?” Der Überproduktion, wie sie auch heute mal wieder sinkende Milchpreise bedingt, müssen falsche Bedarfsschätzungen zugrunde gelegen haben. Und irgendwie werden wir alle an den Kosten beteiligt.
Manche Kühe geben richtig gut schmeckende Milch, andere eine verwässerte Brühe. Das hängt von der Tierrasse und dem Futter ab; die Milchqualität und das Fettsäurespektrum korrelieren. Es gibt also Milch, Butter und Käse, die mehr oder weniger gesund sind. Und wenn schon Milchprodukte – dann doch eher Qualität vor Quantität, und nicht die – für sich isoliert genommen falsche – Empfehlung “fettarm”.
Rezepte
Die Zeiten ändern sich – und so die Rezepte. Was in Wirtschaftswunderzeiten noch galt, gilt heute nicht mehr.
Die Öko- und Bio-Bewegung sind ganz unabhängig von staatlicher Förderung autonom entstanden – so auch der verstärkte Trend zu veganer und vegetarischer Ernährung. Vollkornmehl war vor der Öko-Bewegung schier nicht erhältlich. Eine staatlich subventionierte, industrielle Landwirtschaft wird von fortschrittlichen und besorgten Kreisen abgelehnt.
Die DGE hat hierbei nicht gerade die Rolle einer Speerspitze gespielt, sondern ihre “10 goldenen (???) Ernährungsregeln” nebst Ernährungskreisen und -Pyramiden als glückbringenden Standard verbreitet. Empfehlungen zum Abnehmen kann jeder geben – konkrete Rezepte hat nicht jeder und “Super-Rezepte zum Abnehmen” sind rar. Aus nachvollziehbaren Gründen.
Alternative Empfehlungsansätze, wie die aus Brasilien, werden hier erst gar nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn diskutiert oder publiziert. Es gibt Ratschläge zur “Gemeinschaftsverpflegung”, aber Portionspackungen für Butter, Marmelade usw. sind in Krankenhäusern die Norm, Lebensmittel-Verpackungs-Berge vorprogrammiert – ohne wahrnehmbaren Protest der Ernährungswissenschatler, die das Gemeinwohl auch in ökologischer Hinsicht im Auge haben sollten.
Verbrauchertäuschungen
Schafskäse, zum Beispiel
Selbst vor dem idyllischen Bild griechischer Schafe und Ziegen, die würzige Bergkräuter knabbern, muss mittlerweile gewarnt werden – und wer warnt hier vor Verbraucher-Illusionen im Ernährungssektor? Offenbar werden auch Schafe mittlerweile subventioniert, so dass die natürlichen Weiden überweidet werden und die Tiere mit Soja-Kraftfutterimporten gepäppelt werden und mit staatlich subventioniertem Wasser getränkt…
Der Glaube an natürlichen Feta von Weidetieren, die natürliches Futter weiden, kann Verbrauchertäuschung sein, insofern zumindest, als Verbraucher sich hier gerne selbst täuschen.
Oder Babymilch?
Der Unfug im Ernährungssektor kennt keine Grenzen, die “Espresso-Maschine fürs Fläschchen”, die mit Kapseln gefüttert wird, steht uns bevor, und niemand nimmt Stellung? So etwas ist vielleicht “nur” ein Randproblem, aber, wenn man es sich anschaut, kommt die Frage: Wie mündig sind diese jungen Mütter, und was kann man da tun, um zu helfen?
Ein weiteres, willkürlich ausgewähltes Problem im Ernährungssektor:
Palmöl – Plantagen oder Urwald, Arteriosklerose oder kein Palmöl?
Bildquelle “Plantage”: http://www.rspo.org/
Was die Palmöl-Produktion an Umweltschäden anrichtet ist kein deutsches Problem? Jedenfalls nicht für die Deutsche Ernährung: Kein Problem.
Die wegen der Ölpalmen gerodeten Urwälder – das ist ein globales Problem. Dass es in wenigen Jahren keine frei lebenden Orang-Utans mehr geben wird, geht uns nichts an? Aber, dass Palmöl nicht einmal als solches, sondern “neutral” als “Pflanzenfett” deklariert werden darf – das sehen wir in den deutschen Lebensmittelregalen. Palmöl oder -Fett in der Tütensuppe: Das hat etwas mit den Rohstoffpreisen zu tun. Die Fettsäurenzusammensetzung des Palmöls hat gesundheitliche Auswirkungen – leider negative:
https://www.regenwald.org/themen/palmoel/fragen-und-antworten
Stimmt es, dass Palmöl krank machen kann?
Palmöl besteht fast zur Hälfte aus gesättigten Fettsäuren aus, die hohe Cholesterinwerte und Herzkrankheiten verursachen können und als „Dickmacher “ verschrien sind. Palmkernöl, das gerne für Kakaoglasuren, Eiskonfekt und Karamell verwendet wird, besteht sogar zu 80 Prozent aus gesättigten Fettsäuren.
Daneben enthält Palmöl sogenannte Fettsäureester (3 -MCPD- und Glycidol-Fettsäureester), die als krebserregend gelten. Vor allem bei raffiniertem Palmöl, ein Bestandteil von Säuglingsmilchnahrung, sind die Schadstoffkonzentrationen hoch. Auch die beliebten Nuss-Nougat- und Schoko-Brotaufstriche enthalten meist sehr viel Palmöl. Kinder sind besonders gefährdet, da ihr Körpergewicht im Verhältnis zur aufgenommenen Schadstoffmenge gering ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor der Aufnahme der Palmöl-Schadstoffe.
Ist Bio-Palmöl umwelt- und sozialverträglich?
Auch die Biobranche setzt voll auf Palmöl. In weit über 400 Bioprodukten der bekannten Hersteller wie Alnatura, Allos, Rapunzel usw. ist Palmöl enthalten. Bei deren Lieferanten, der Daabon-Gruppe in Kolumbien, hat Rettet den Regenwald schwere Unfälle und Leckagen, Wasservergeudung, Umweltverschmutzung, Rodungen und Landvertreibung von Kleinbauern festgestellt. Auch hier dehnen sich die riesigen Ölpalm-Monokulturen auf tausenden Hektar Land aus. Die verdienen nach Ansicht von Rettet den Regenwald auf keinen Fall „Bio“siegel für „ökologische“ Landwirtschaft und „Fair Trade“.
Der WWF sitzt derweil am runden Tisch mit Palmöl-Erzeugern und deren industriellen Kunden. Im “Dossier” zeigt der WWF Verständnis für Palmöl in der Lebensmittelbranche: Das Öl ist hoch erhitzbar, läuft hierzulande bei Zimmertemperatur nicht weg, Margarine wird streichfähig auch ohne “gehärtete Fette”, und, mit Verweis aufs Deutsche Margarine-Institut: Auch ungesättigte Fettsäuren gibt es im Palmöl. Was für ein Argument! Aus medizinischer Sicht kommt es auf das günstige Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren an, und beim Palmöl überwiegt der ungesunde Anteil des “Dicken Fetts” gegenüber dem “leichtflüssigen”. Die WWF-”Forderung”
Gekauft werden sollte nur noch Palmöl von Produzenten, die bestätigen, dass ihre Plantagen nicht auf Torfwäldern angelegt werden, die sich verpflichten auf gefährlichen Pestizide zu verzichten, und die Treibhausgasemissionen ihrer Plantagen und Ölmühlen öffentlich machen sowie Reduktionsziele ausweisen.
wird aber nicht von den mündigen, informierten Endverbrauchern flankiert, weil die erst gar nicht wissen, was es mit ihrer Margarine, ihrer Schokolade, ihrem Weichspüler für eine Bewandtnis hat: Walnussöl sollen sie zum Beispiel verwenden, erfahren sie, aber nicht wieso und warum, und da sie eh mehr Fett zu sich nehmen, als “amtlich” empfohlen, haben sie vor schlechtem Gewissen keinen kühlen Kopf mehr, um sich vernünftig mit “der Sache” auseinanderzusetzen.
Ist umfassende Nachhaltigkeit überhaupt möglich?
Eine Frage, wie sie bei den Netzfrauen gestellt wird, und Frau kommt zur Antwort:
Nein, es ist unwahrscheinlich, dass der gesamte immer noch wachsende Weltbedarf an Palmöl nachhaltig produziert werden kann. Denn das grundlegende Dilemma bleibt: Selbst ein noch so rücksichtsvoller Anbau ändert nichts daran, dass Ölpalmen den Platz brauchen, wo derzeit noch der Regenwald steht.
Wir könnten das mit dem “Weltbedarf” aber auch hinterfragen. Wo Palmöl verheizt oder zu Treibstoff verarbeitet wird, ist das kein Palmöl-Bedarf, sondern Energiebedarf. Den kann man auch in der Wüste decken, indem man die Sonne anzapft, auf die eine oder andere Weise. Nur wird der Markt das nicht so komplett von selbst regeln – manche Agrar-Investoren sprechen ja von neun Prozent “garantierter” Rendite…
Konkrete Ernährungsempfehlungen
“Eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise fußt auf Vielseitigkeit und Mäßigung. “
Das ist zwar nicht konkret, aber korrekt – und diplomatisch. Vielleicht auch mit dem Ziel formuliert, einen “Bann” von Palmöl zu vermeiden. Ernährungsempfehlungen sollen alltagstauglich, bedarfsgerecht und gesundheitsförderlich sein – deshalb verbietet es sich, etwas zu empfehlen, was direkt krank macht oder indirekt, weil Gesundheit auch mit einer intakten Umwelt zusammenhängt. Insofern müssen Ernährungsempfehlungen auch das (ursprüngliche) Ökosystem berücksichtigen, aus dem die Nahrung kommt. Die Ernährungsberatung muss über den Tellerrand hinaus blicken und, wenn die Frage “Wozu sind Urwälder gut?” beantwortet ist, muss sie von Allem abraten, was dieses Ökosystem, dessen nachhaltige Nutzung bedingt möglich ist, zerstört. Worauf eine gesunde Ernährungsweise basiert, wissen wir ja bereits. Das ist das “Fußende”; Ins Zentrum einer gesunden und ausgewogenen Ernährungsweise gehört die Ethik – gehören nicht irgendwelche Kalorien- und Nährwerttabellen.
Abnehmen und Mäßigung in der Praxis
Die einen zählen Kalorien, die anderen zählen Punkte, und die Portions-Zähler sind in der Minderheit, weil das Konzept mit den Portionen nicht derart massiv wie das mit dem Punkte-Zählen beworben werden kann. Dennoch gibt es durchaus Ansätze, die Größe einer Portion zu definieren, aber offenbar kein Gesamtkonzept.
Bei der DGE ist es (“das Prinzip Portion”) “irgendwie entfernt bekannt”, führt ein Mauerblümchen-Dasein, wird obendrein unvollständig und unlogisch erklärt – so jedenfalls beim AID, einer “Schwesterseite” der DGe:
Eine Hand voll ist eine Portion
Fünf Portionen Gemüse und Obst über den Tag verteilt – kaum eine Ernährungsempfehlung ist einfacher und lässt sich so ideal in den Speiseplan für die ganze Familie integrieren.
Tagesziel sind etwa 650 Gramm Gemüse und Obst, am besten in Form von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst.Sie sind mit den eigenen Händen leicht abzumessen: Was in eine Hand passt, gilt als eine Portion, wie beispielsweise ein Apfel, eine Tomate, eine Paprika. Bei klein-stückigem Obst und zerkleinertem Gemüse wie Beeren, Broccoli und Salat ergeben beide Hände zu einer Schale geformt eine Portion. Nüsse und Trockenobst lassen sich auch so abmessen: ½ Hand voll entspricht einer Portion. Kinder haben kleinere Hände, deswegen bekommen sie auch kleinere Portionen.
… Bei getrockneten Hülsenfrüchten wie Linsen rechnet man pro Portion 50 g, auch das entspricht einer Hand voll. Eine der fünf Tagesrationen kann ab und zu durch ein Glas reinen Gemüse- oder Fruchtsaft ersetzt werden.
Hier geht es zu wie in Mutters Küche, wenn es die beliebte Quer-durch-den-Garten-Suppe gab. Linsen finden sich beim Gemüse (klar, die Kategorie “Kohlenhydratlieferanten haben wir ja nicht…”), mal wird mit Hand und Händchen gemessen, mal mit der Briefwaage. Dann werden Portionen und Rationen durcheinandergewürfelt – und nichts wird deutlicher. Das Glas Saft als Ersatz für das ganze Obst (oder Gemüse, beim Gemüsesaft) ergänzt das Glas Milch als Kindergetränk?
Pyramidale Verwirrung
Wenn dann noch eine geometrische Figur dazu herhalten muss, eine Hierarchie der Lebensmittelgruppen zu symbolisieren, ist das eigentlich nur eine Metapher – aber streng wissenschadtlich gedacht überhaupt nicht.
Im Staat gibt es Fußvolk, Mittelschicht und Oberschicht – ob sich das zu einer Pyramide fügt, darf bezweifelt werden. Beim Militär lässt sich der Pyramidenaufbau schon besser organisieren – selbst, als die Pyramiden gebaut wurden, ging das nur mit hierarischen Stgrukturen, jeder Bautgrupp hatte seinen Leiter. Aber bei einer Lebensmittelempfehlung?
Jedenfalls – die Pyramide musste es sein. Und Portionen müssen auch sein…
Also gibt es eine Portion Kartoffeln:
Das sind nicht drei Kartoffeln, sondern: Das ist eine Portion!
Was sich aber relativiert, wenn wir Portion als “Einheit” definieren – sicher, wer drei Kartoffeln essen will, kann das machen, soll dann aber drei Stück = Portionen zählen, anrechnen, meine ich.
Masse, Maße und Portionen – wie will man da noch etwas verbindlich messen, wenn die Einheit mal eine Hand ist, mal ein “Handteller”, der noch dazu falsch dargestellt ist, mal, wie beim Ei, das Stück, das “Maß” Öl statt des Teelöffels der Esslöffel ist?
Ach, wer braucht schon Ernährungsberater…
Wenn es aber um Empfehlungen fürs Abnehmen geht, kann auch das allerausgeklügelste “FDH & Beweg Dich mehr” nicht motivieren:
Das ist so geschmacklos wie ein alter, ausgekauter Kaugummi, gibt so viel Orientierung wie eine Landkarte, auf der nur Orte, nicht aber Straßen, Flüsse, Eisenbahnlinien, Berge und Schluchten eingezeichnet sind, erzeugt keine Zuversicht und stärkt kein Selbstbewusstein (denn die Übergewichtigen sind ja bereits traumatisiert und brauchen die Botschaft, mit der sie abgespeist werden, dass “es” ja nur an ihnen selbst liegt und sie doch nur 10, 11 Regeln befolgen müssen, nicht so sehr wie die Luft zum Atmen – aber mehr bekommen sie nicht.
Nachtrag:
Beim NDR-Fernsehmagazin “Visite” gab es einen Beitrag, der auf veraltete Empfehlungen seitens der DGE hinweist.
Die DGE-Kritiker:
Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
Endokrinologe
Leiter der Abteilung Klinische Ernährung
DIfE- Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Internet: www.dife.deDr. Johannes Scholl
Facharzt für Innere Medizin, Ernährungsmedizin, Sportmedizin
1. Vorsitzender der Deutschen Akademie für Präventivmedizin e.V.
Dr. Scholl Prevention First GmbH
Europastraße 10
65385 Rüdesheim
Tel (06722) 40 67 00
Fax (06722) 40 67 01
E-Mail: scholl@preventionfirst.de
Internet: www.preventionfirst.de; www.akaprev.deDipl. oec. troph. Dorit Roeper
Adipositas-Zentrum Hamburg Wilhelmsburg
Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand
Groß Sand 3
21107 Hamburg
E-Mail d.roeper@gross-sand.de
Internet: www.gross-sand.deDr. Matthias Riedl
Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie, Ernährungsmedizin
Geschäftsführer und Ärztlicher Leiter medicum Hamburg
Zentrum für Ernährungsmedizin, Prävention und Adipositas
Standort Berliner Tor
Beim Strohhause 2
20097 Hamburg
Tel. (040) 807 97 90
Internet: www.medicum-hamburg.de/Univ.- Prof. Dr. Stefan Lorkowski
Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Ernährung
Institut für Ernährungswissenschaften und
Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD)
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dornburger Straße 25
07743 Jena
Fax: (03641) 94 97 12
E-Mail: stefan.lorkowski@uni-jena.de / bce@uni-jena.de
Leider konnte ich aus der Kritik nicht entnehmen, welche Anzahl an Portionen jetzt wissenschaftlich exakt als optimal zu erachten ist. Zum Zwecke des Abnehmens ist aber ohnehin eine Protokollierung erforderlich – damit sieht man dann selbst, ob die verzehrte Menge insgesamt zu groß ist, und kann dann selbst entsprechend nachregulieren.
Ich finde, die befragten Experten haben hinsichtlich KH, Fetten und Eiweiß eine abweichende Meinung – und wahrscheinlich ist der empfohlene KH-Anteil zu hoch; das amerikanische Beispiel, bei Fetten die Obergrenze zu streichen, kann gleichzeitig nicht überzeugen.
Wichtiger ist vielleicht die Lebensmittel-Qualität, unerwähnt geblieben ist auch, dass nicht nur, wie viel wir essen, sondern wie wir essen wichtig ist, und dass – Beispiel Palmöl und Fischverzehr – beim Thema auch ethische Aspekte zu berücksichtigen sind.
Liebe LeserInnen,
Was wären denn Eure Ernährungsempfehlungen? Ist das “wie essen” im Vergleich zum “was essen” wichtiger oder gleichwertig – habt Ihr noch regelmäßige Essenszeiten, und ist der Fernseher beim Essen ausgeschaltet? Welche Regeln, “Richtlinien” haben sich bei Euch bewährt?
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