Im letzten Sommer unterhielt ich mich mit einem grauhaarigen Landes-Angestellten aus dem Sozialministerium – der hatte zwei frische Bypässe und einen theologischen Hintergrund; wobei mich Letzteres weniger interessierte.
Weil die Unterhaltung im Speisesaal der Reha-Klinik stattfand, war auch “Essen” das Gesprächsthema, und ausgehend vom gegebenen Speiseplan, der Bequemlichkeit, sich somit nicht vor dem Essen an den Herd stellen zu müssen, kamen wir auf den Gedanken, dass es doch für beispielsweise ledige oder verwitwete Rentner, aber auch allein lebende Arbeitslose, eine
“Rentnerkantine”
geben sollte – eben als Gemeinschaftsverpflegung für Alle, als Mittagstisch, den sich jeder leisten kann (wenn auch damit Restaurants unter Umständen massiv geschädigt werden – wie das schon stattfindet, wenn z.B. Möbel-Großmärkte ihnen gezielt die Kundschaft abgraben).
Nun ist eine Kantine schwierig zu führen, wenn alles frisch und “bio” sein soll, und überhaupt, werden die Preise kaum in “Taschengeldregionen” zu drücken sein; kleinere Wirtschaftseinheiten haben vielleicht noch über Catering-Systeme eine Chance, die Kosten zu senken.
Bei kurzen Wegen zum Caterer, dessen Kosten durch “den Wegfall des Lebensmittel-Wegwerfens” und eine rationelle Verwaltungsstruktur minimiert/optimiert sind, wird das mit dem “einfachen Restaurant” schon einfacher.
Eine Frage der Kalkulation
Regelmäßig wiederkehrende Stammgäste sind sicherlich die besten und liebsten Gäste – nämlich verlässliche, treue Kunden. Es ist ja nichts verwerfliches dabei, so zu denken, wenn auch “der Wirt” verlässlich ist, ist Beiden gedient.
Im beidseitigen Interesse liegt auch die Übersichtlichkeit und Planbarkeit beim Bereitstellen der Speisen. Wäre es da nicht sinnvoll, über eine “App” schon im Voraus eine Vorbestellung zu tätigen? Wenn Bestellung und Bezahlung im Voraus erfolgen, mit einem netten, spürbaren Rabatt verbunden sind, ist Beiden geholfen. Wichtig ist auch das Bewusstsein, dass Kunde und Anbieter gleichwertige Teile einer Interessengemeinschaft sind.
Schulfach Ernährung
Die Forderung, dass die Schule den Schülern den Wert der und die Achtung vor den Lebensmitteln vermitteln solle, wird immer mal wieder auf der politischen Ebene erhoben – aber wird sie auch je umgesetzt?
“Nicht bezahlbar” heißt es manchmal – aber die Möglichkeit, dass die Kids selbst mal mithelfen wird gehandelt wie heiße Kartoffeln.
Wenn wir rationellere Formen der Lebensmittel-Bereitstellung (Bewirtung) und neue Wege, Einnahmen zu erzielen, in Betracht ziehen, dürfte Vieles möglich werden:
Die Schülermensa als Wirtschaftsbetrieb – Schüler, die Waren erzeugen?
Ob kleine Betriebskantine oder große Schulmensa: Wer vor Ort (beispielsweise!) “nur” noch die fertig angelieferte Sauce zur Pasta erhitzen muss, spart viel Arbeit. Eine komplette Kücheneinrichtung müssen aber beide Betriebsformen vorhalten – und die ist, wenn der Caterer den Großteil der Arbeit abnimmt, vielleicht gar nicht ausgelastet, könnte mehr leisten:
Im “Fall Schule” verarbeiten, was der Schulgarten liefert, ein Lern-und Erfahrungsfeld für Kinder und Lehrer sein – und warum sollten Mensa und Kantine nicht auch Lebensmittel verarbeiten und herstellen, die jeder brauchen kann, die der Supermarkt aber nicht vorhält?
“Learning by doing”
Fermentation zum Beispiel
- permanenter Projektunterricht -
Ich hatte als Schüler im Biologieunterricht relativ wenig von “Fermentation” erfahren; ob heutige Schüler froh wären über ein derartiges Lehrangebot, kann ich nicht wissen. Manche sagen, sie hätten in der Schule auch mal Sauerkraut gemacht, aber mit der Lebensmittel-Praxis scheint es allgemein schlecht bestellt.
Sauergemüse herstellen, Hefekuchen backen, Essig brauen, Yoghurt selbst machen – das sind Beispiele für unklomplizierte Vorgänge unter dem Oberbegriff “Fermentation” – die man nur begreift, wenn man sich darin erfolgreich versucht hat.
Ist das nicht ein wichtiges Lernfeld, das LerhrerInnen auch so vermitteln können, dass “Personal” und Schüler Spaß daran finden?
“Schule, im Einklang mit der Natur” klingt zwar für manche vorbelastete Gemüter arg nach “Waldkindergarten für Esoteriker”, könnte aber als permanenter Projektunterricht vom Garten an über Küche, Mensa und Schulladen Erfahrungen und Zusammenhänge begreifbar machen, die als pure Theorie wenig Wert haben, sondern praktische sein müssen, um sie anwenden zu können.
Wenn Biologie- und Chemielehrer kooperieren, Fachleute (Gärtner, Köche, Landwirte) hinzukommen, betriebliche Praktika ähnlich wertgeschätzt werden wie die Teilnahme an Leistungskursen, sehe ich darin eigentlich wesentliche Vorteile – und Kenntnisse über den Zusammenhang von “Biologie”, Gesundheits/Ernährungslehre und Ökonomie könnten in zukünftigen Generationen durchaus von Vorteil sein.
Vermarktung -
Ein ein- und aufgewecktes, regionales Fertiggerichte-Programm aus handwerklicher Fertigung
Schulladen
Dieses Stichwort ist schon gefallen, verdient aber, noch einmal hervorgehoben zu werden. Hier können die im Unterricht produzierten Lebensmittel ihre Abnehmer finden, der Laden kann parallel noch mit einem fahrbaren Marktstand weitere Kundenschichten erreichen. Voraussetzung ist, dass das Warenangebot stimmt.
Die Schüler können in diesem Zusammenhang auch wertvolle Kenntnisse über die Ökonomie erwerben…
Beispiele: Fertigkost im Vertrieb
“Landmetzgerei aus der Rhön” – das klingt doch gut, wer möchte da nicht einkaufen? Und wenn man schon dabei ist, vielleicht gleich noch eine Linsensuppe, fertig gekocht, nur noch aufwärmen, Hausmannskost und vielleicht 100 mal besser als aus der Dose?
Sicher, das gibt es, und die alte Methode des “Einweckens” erweist sich als nach wie vor gangbarer Weg, selbst gemachte Lebensmittel zu konservieren, und in dieser Form auch zu vermarkten (das hatten die Weckglas-Erfinder sich wohl nicht träumen lassen). Eine recht frisch gegründete Firma in der Nähe von München hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt, mit spezifischen Bedingungen:
Im Online-Shop kann man nur die Gerichte kaufen, die wir frisch gekocht haben. Wir sind eine Manufaktur und kochen in kleinen Mengen etwa 1-2 Gerichte pro Tag an etwa vier Tagen in der Woche. Wir produzieren nicht industriell und wir werden dies auch nie tun. Wir möchten unseren Anspruch an Qualität nicht durch erhöhte Quantität ruinieren. Dies begrenzt natürlich die Anzahl an unterschiedlichen Gerichten, die gleichzeitig angeboten werden können. Außerdem werden unsere Fertiggerichte auch immer beliebter und deshalb sind die frisch gekochten Speisen oft schnell ausverkauft. Viele saisonale Gerichte sind auch “aufgegessen”, weil sie in der aktuellen Jahreszeit von uns nicht gekocht werden, da die Zutaten nur schwer zu bekommen sind und wenn, dann nicht aus regionalen Quellen.(Quelle)
Die Fertigmahlzeit aus dem Weckglas muss attraktiv erscheinen und sein, Vertrauen und eine gewisse Begehrlichkeit erwecken; bei eingeweckt.de liest sich das so:
“Feine und gesunde Fertiggerichte im Weckglas
In unserer Manufaktur für Fertiggerichte wird mit Liebe und Leidenschaft hochwertiges Essen gekocht und eingeweckt. Hier zählen nur die Qualität und der Geschmack und deshalb wählen wir unsere Zutaten sorgfältig aus.
Ich hatte hier von einem Geschäftstmodell geschrieben – und vielleicht verbreitet die Idee sich ja noch weiter und in andere Richtungen – die angesprochene Schulküche (oder auch eine betriebliche Küche) sollte doch ohne Weiteres in der Lage sein, ein ähnliches Angebot zu bieten.
Aber auch weitere Lebensmittel könnte man ins Programm aufnehmen: Ich denke hier an
- frisches Sauerkraut,
- Hummus,
- Senf,
- Weinessig,
- Kräuter-/Gewürzessig
- Obstessig,
- Marmelade;
- Kuchen im Glas
- Nudeln,
- Mautaschen & Teigtaschen
- Bieressig,
- Salatdressings,
- Brotaufstriche,
- Pesto,
- Ketchup,
- scharfe Sauce, “Hexensauce“/”Zaubersauce”
- “Marokkanische” Salzzitrone
- eingelegter Ingwer
- Miso, Tempeh und Verwandte
- Sauerteig, Brot und Brötchen
- das alles von einer “Hausmarke”, die allerdings nur langfristig entwickelt werden kann.
Langfristig heißt auch, dass, im Beispiel “Schule”, die älteren Jahrgänge ihr Wissen an die jüngeren weitergeben, so Verantwortung übernehmen, und lernen, mit Verantwortung umzugehen. Ein professionelles Niveau wäre spätestens in dem Moment erreicht, wenn die Schüler im Umgang mit Mycel derart erfolgreich sind, dass ein leckeres Pilzgericht für die ganze Schule ermöglicht wird
Und warum sollte die “Schulmannschaft” nicht direkt beim Bauern “unverpackte” Milch einkaufen, zu Yoghurt, Labne oder gar Käse weiterverarbeiten, die ohnehin in der Mensa gebraucht werden?
Regionale Produkte, Produkte aus der Nachbarschaft, ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern, künstlichen Aromen und ohne Konservierungsstoffe. von Produzenten, die Gutes, Vertrauenswürdigkeit und Transparenz zu fairen Bedingungen bieten – es heißt doch immer und überall, dass “die Kunden” genau das wollen…
Nachtrag:
So kann Kombucha – aus der Kleinserie – auf den Markt kommen:
https://www.cultureclubcheese.co.za/pages/fermentation
Gemeinfreies Foto “Kantine”: Sebastian Wallroth – Eigenes Werk: Im Google-Büro in der ABC-Straße 19, 20354 Hamburg, Deutschland. Die Kantine.
Foto “Kürbissuppe” aus den Pressemitteilungen von Eingeweckt.de
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